Zu Fuss durch die Mongolei: „Weite kann sich beklemmend anfühlen“

Interview des Monats

Franziska Bär (26) wanderte gemeinsam mit ihrem Partner durch die mongolische Wildnis. Nun ist über ihr Abenteuer weit abseits der Zivilisation ein lesenswertes Buch erschienen. Im Interview schildert sie den Reiz der Leere und erklärt, wie man sich auf eine Reise vorbereitet, zu der es keine Informationen gibt.

WRF: 300 Kilometer zu Fuss durch eine der abgelegensten Ecken der Mongolei: Welche Zutaten braucht für dich ein echtes Abenteuer?

Franziska Bär: Es muss natürlich nicht immer soooo extrem sein, damit es sich nach einem Abenteuer anfühlt. Spontan würde ich sagen: Abenteuer ist für mich eine Mischung aus Entdecken und Draussensein – zusammen mit der Tatsache, dass nicht alles planbar ist, was passieren wird. Und das kann man überall erleben! In den Alpen genauso wie im Altai.

Auffällig ist, dass du gerade lauter Beispiele gewählt hast, in denen andere Menschen keine grosse Rolle spielen. Muss ein echtes Abenteuer abseits der Zivilisation stattfinden?

Nein. Auch vor unseren Haustüren warten tolle Abenteuer – und da ist es bei den meisten von uns ja selten wirklich leer. Für mich persönlich ist der Abenteuerfaktor aber schon ein kleines bisschen grösser, je wilder das Drumherum ist, je weiter die Zivilisation weg ist. Wenn man nicht sofort zurück zum nächsten Ort oder zum Bahnhof kann, dann ist das Grundgefühl ein völlig anderes. Man ist quasi sich selbst und der Wildnis ausgeliefert – diese Erkenntnis kann ziemlich unheimlich sein und gleichzeitig unheimlich schön.

Auf Eurer Wanderung durch die Mongolei habt ihr tagelang keine anderen Menschen getroffen. Wie seid ihr mit der Einsamkeit unterwegs umgegangen?

Meistens haben wir sie genossen! Die Einsamkeit war schliesslich einer der Hauptgründe, wieso wir die Mongolei wählten. Wir wollten unbedingt erfahren, wie sich die pure Einsamkeit anfühlt. Wie es ist, wirklich alleine zu sein und nicht zu wissen, wann wir wieder andere Menschen treffen werden. Natürlich gab es trotzdem Momente, in denen uns ausgerechnet das ziemlich eingeengt hat. So paradox das vielleicht klingt – aber Weite kann sich manchmal ganz schön beklemmend anfühlen. In solchen Momenten haben wir am meisten zu schätzen gewusst, dass wir einen Partner an der Seite haben.

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Weit ab der Zivilisation
Die Abenteuerin und Buchautorin Franziska Bär zu Fuss durch die Mongolei.

 

Wenn ihr dann doch einmal jemanden getroffen habt, gab es immer wieder massive Sprachprobleme. Ist ein kulturelles Verständnis überhaupt möglich?

Bei vielen Begegnungen in ganz unterschiedlichen Ländern haben wir gelernt, dass ein kulturelles Verständnis nicht zwingend davon abhängig ist, dass man sich ordentlich mit den Einheimischen unterhalten kann. Oder andersrum gesagt: Nur, weil man eine Sprache spricht, heisst das noch lange nicht, dass man ein Verständnis für die fremde Kultur aufbauen wird. Viele Situationen wären sicher einfacher gewesen, wenn wir mit den Mongolen hätten sprechen können. Und natürlich hatten wir andauernd tausend Fragen! Trotzdem hatten wir auch ohne Worte wahnsinnig schöne Begegnungen mit Nomaden – und haben teilweise einen ganzen Tag mit ihnen verbracht, ohne ein Wort zu reden. So sind wir ziemlich tief in ihren Alltag eingetaucht.

Die Mongolei gilt als eines der gastfreundlichsten Länder der Welt. In deinem Buch stellst du aber genau das in Frage. Wieso?

Ich würde sagen, ich stelle weniger die Gastfreundschaft an sich in Frage, sondern überlege eher, ob sie manchmal nicht etwas erzwungen ist. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass Nomaden in der Steppe jeden einladen, der an ihrer Jurte vorbeiläuft. Das passiert schliesslich nicht allzu oft. Bei uns sind auf dieser Weise magisch schöne Begegnungen entstanden, aber auch welche, die erzwungen gewirkt haben. Als würden uns die Nomaden nur reinbitten, weil man das eben so macht. Und nicht, weil sie wollen.

Wieso eigentlich ausgerechnet die Mongolei?

Die Mongolei war ein langjähriger Traum von Felix. Weil es nicht mehr viele Länder gibt, die so wenig erschlossen, so endlos weit, so geheimnisvoll sind. Über die Mongolei findet man nicht viele Bilder, man liest nicht viele Geschichten. Das hat sofort unseren Entdeckergeist geweckt.

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Mit Zelt und Rucksack zu Fuss durch die Mongolei.
Begegnungen mit anderen Menschen sind in der Westmongolei selten.

 

300 Kilometer zu Fuss mit rund 20 Kilo Gepäck sind kein Pappenstiehl. Wie habt ihr euch auf die Wanderung vorbereitet und wie fit sollte man vorher sein?

Auf die Mongolei haben wir uns auf jeden Fall viel, viel mehr vorbereitet als auf alle Reisen zuvor. Hauptsächlich aber in der Theorie. Wochenland haben wir topografische Linien und Satellitenaufnahmen auf Google Earth studiert. Haben Koordinaten gesetzt und Entfernungen vermessen. Als wir dachten, wir könnten uns nicht besser vorbereiten, haben wir in München an der Isar entlang sogar einen Probemarsch gemacht – um einmal alles auszutesten, was wir uns erarbeitet hatten. Was die Fitness angeht, hat es uns sicher geholfen, dass wir schon immer viel in den Bergen unterwegs sind und gerne Sport machen. Trotzdem ist so eine wochenlange Wanderung mit viel Gepäck nochmal was anderes. Man merkt aber, dass jeder Tag ein Training ist, und der Körper lernt, mit der Belastung klarzukommen.

Gar keine Informationen findet man im Buch zu den Kosten der Reise? Wie teuer war eigentlich euer Abenteuer?

Das grösste Loch hat die Ausrüstung in unsere Reisekasse gerissen. Weil wir vorher noch nie als Selbstversorger im Nirgendwo unterwegs waren, mussten wir uns Vieles erst zulegen. Zum Beispiel einen Kocher, der mit Benzin und Diesel kochen kann, weil es in der Mongolei keine Gaskartuschen gibt. Oder die dicken Schlafsäcke und das GPS-Gerät. Der Flug war ausserdem recht teuer. Alles in allem schätze ich, dass uns dieses Abenteuer ungefähr 2500 Euro pro Person gekostet hat. Wobei die Ausrüstung aber eine Anschaffung fürs Leben war.

Dein Buch erhielt viele gute Kritiken. Gibt es schon Pläne für weitere Abenteuer und Bücher?

Mich freut es unglaublich, wenn ich positives Feedback für das Buch bekomme. Oder generell für das, was wir machen. Und zwar jedes einzelne Mal – ehrlich! Ganz davon abgesehen, liebe ich das, was ich tue. Das Reisen, das Entdecken. Das Geschichten-Erzählen. Wir haben deswegen immer und andauern Ideen für nächste Abenteuer und schmieden Pläne. Im Sommer durchwandern wir das Kaukasus-Gebirge, mal sehen, was danach kommt. Ob ein nächstes Buch entsteht, wird sich zeigen. In Gedanken schreibe ich natürlich schon.

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Die beschwerliche Reise hat das junge Paar noch stärker zusammengeschweisst.

 

Lesetipp: Ins Nirgendwo, bitte!

Franziska und ihr Freund Felix machen sich zum grössten Abenteuer ihres Lebens auf: Vollkommen auch sich selbst gestellt kämpfen sie sich durch die westmongolische Wildnis. Entstanden ist daraus eine der packendsten Reiseerzählungen, die ich je gelesen habe – und dies, obwohl es auf den ersten hundert Seiten nur um die Planung in einer Region geht, in der die aktuellste Quelle eine hundertjährige Militärkarte auf Kyrillisch ist.

Conbook Verlag, April 2019. 288 Seiten, ca. 15 Euro. Hier bei Amazon bestellen*.

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3 Kommentare

    1. Kann ich nur empfehlen. Es ist nicht nur ein tolles Abenteuer, sondern auch wirklich gut geschrieben. Oft ist es bei Reisebüchern ja nur das eine oder das andere.

  1. oh mann, den Titel kann ich so sehr nachvollziehen. Das ganze dann auch noch zu Fuss. Ich kenne die Region ja nur vom Rücken meines Motorrades aus. Aber man kommt da definitiv ins Grübeln wenn man sich der Weite bewusst wird und wie „klein“ man selbst ist.

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