„Junge Reisefotografen haben es heute schwer“
Der Schweizer Natur- und Tierfotograf Willi Dolder (73) veröffentlichte rund 70 Bildbände und Reiseführer. Einen grossen Teil seines Lebens verbrachte er mit Reisen durch Afrika. Im jüngsten Interview des Monats erklärt er, wieso Afrika als Reiseziel nicht mehr ideal ist und wieso man heute kaum noch von der Reisefotografie leben kann.
WRF: Willi, woher kommt deine Faszination für Afrika?
Willi Dolder: Das kann ich nicht so recht sagen. Fast seit meiner Geburt fühlte ich mich zum Schwarzen Kontinent hingezogen. Allerdings muss ich zugeben: Ich bin da auch etwas „vorbelastet“. In meiner Familie gab es jede Menge Abenteuerer, von denen die meisten in Afrika lebten und arbeiteten. Ich hatte etwa einen Onkel, der war 30 Jahre lang Grosswildjäger in Ostafrika und sein Cousin besass im Kongo eine Kupfermine. Immer wenn sich unser Familienclan irgendwo in der Schweiz traf, war dies eine gewaltige Orgie an Farben, Tönen, Gerüchen, Eindrücken, Visionen, wilden Tieren, endlosen Landschaften und abenteuerlichen Erzählungen.
Ist Afrika der letzte Kontinent für echte Abenteurer?
Das würde ich so nicht behaupten. Es gibt auf der Welt durchaus noch andere Regionen, wo man Abenteuer erleben kann. Ich denke da zum Beispiel an Alaska, an das Amazonas-Gebiet und natürlich Australien. An all diesen Orten ist es weniger gefährlich als in Afrika. Selber hatte ich auf meinen Afrikareisen immer Glück. Ich wurde nur ein einziges Mal überfallen. Das war 2007 in Namibia. Allerdings verhalte ich mich auch vorsichtig. Ich überlege mir genau, wo ich hingehe und wie ich mich verhalte. Nachts gehe ich beispielsweise nicht mehr raus, weder zu Fuss noch mit dem Auto. Die Gefahr, überfallen zu werden, ist besonders in Städten und in Kenia zum Beispiel auch an der Küste, zu gross.
Welche deiner vielen Reisen beeindruckte dich am meisten und wieso?
Das war ganz klar die Reise durch den heutigen Südsudan. Vor bald zehn Jahren reiste ich im Auftrag der deutschen Sektion der „Tierärzte ohne Grenzen“ durch die Region, um dort einige Projekte der NGO zu fotografieren, die sich mit der Behandlung von Viehkrankheiten, aber auch Impfaktionen der Hunde (gegen Tollwut) und sogar der Hühner (!) befasste. Die Reise war deswegen besonders eindrücklich, weil sie die urtümlichste war. Die Menschen waren vom Tourismus unberührt und verhielten sich mir gegenüber trotz Bürgerkrieg unerwartet friedfertig und natürlich. Viele liefen noch nackt oder mit einem einfachen Lendenschutz herum. Ich konnte überall fotografieren und die Menschen hielten nicht für jedes Bild die Hand auf…. An vielen anderen Orten dreht sich ja inzwischen alles nur noch ums Geld. Ich schenkte den Menschen am Ende aber für sie wichtige Güter wie Kaffee, Tee, Salz oder Zucker sowie Tabak, den besonders die Frauen sehr schätzen
Welches Land eignet sich am besten für Afrika-Einsteiger, um den Kontinent sanft kennenzulernen?
Den Kontinent lernt man nicht einfach kennen, indem man sich ein Land aussucht. Die Vielfalt in Afrika ist so gewaltig wie wohl sonst nirgendwo, auch nicht in Asien. Wir haben es mit vollkommen unterschiedlichen Landschaften und Völkern zu tun. Es gibt in Afrika rund 2000 Sprachen, davon etwa 700 Hauptsprachen , deren Sprecher sich untereinander nicht verstehen können. Aber um ehrlich zu sein: heute empfehle ich niemandem mehr, Afrika zu bereisen. Der Zug ist für Weisse abgefahren.
Inwiefern?
In Afrika hat sich seit meiner ersten Reise im Jahre 1966/67 sehr viel verändert. In vielen Ländern ist der Fremdenverkehr zu einer der wichtigsten Devisenquellen geworden. Das hat dazu geführt, dass jeder nur dem Geld nachrennt. Touristen werden geschröpft bis zum Gehtnichtmehr. Der Eintritt in einen der Nationalparks in Botswana kostet beispielsweise pro Tag allein schon fast hundert Dollar und in Kenia beziehungsweise Tansania zwischen 60 und 90 US-Dollar – dazu kommen noch überteuerte Lodges, teure Führer und Mietwagen, die jeden Tag ein kleines Vermögen kosten; 250 Dollar pro Tag für einen 4×4 sind nicht ungewöhnlich. So schön die Parks und Reservate sind: Sie sind das Geld nicht mehr wert. Oder nehmen wir die Aufenthaltspermits. Wer ein Jahr lang in Kenia oder Tansania bleiben will, muss etwa 1200 Dollar hinblättern. In Thailand kostet das Resident Permit hingegen etwa 75 Dollar pro Jahr.
Und neben den Preisen?
Die Korruption. Ich war meistens mit meinem Toyota LandCruiser unterwegs. Doch Selbstfahrer werden ständig von korrupten Polizisten (in fast allen Ländern südlich der Sahara) angehalten, die sich ihr Gehalt etwas aufbessern wollen. Weitere Gefahren bringen zum Beispiel in Kenia der zunehmende Terrorismus und in einigen Regionen auch die hohe Kriminalität mit sich, die sich eben nicht nur auf die Grossstädte beschränken , sondern auch aufs Land. Im Norden von Kenia, wo ich eine Weile lebte, gibt es meilenweit keine Menschen und doch trifft man plötzlich auf Nomaden, die mit Pangas und Kalaschnikows ausgerüstet sind. Da kann schnell mal was passieren.
Es heisst, reisen baut Vorurteile ab. Welches sind deiner Meinung nach die häufigsten falschen Vorurteile bei Afrika? Was ist dir bei den Reisen aufgefallen?
Es klingt nun vielleicht ein bisschen harsch, aber ich habe den Eindruck, dass die meisten Vorurteile mehr oder weniger zutreffen. Sie kommen ja nicht von nirgendwo. Generell ist mir aufgefallen, dass viele Leute nicht gut wirtschaften können. Es fehlt an Planung, Organisation und einer vorausschauenden Denkweise. Wir hatten zum Beispiel einmal ein Hausmädchen in Kenia, dem wir alle unsere Möbel und andere Dinge überliessen, als wir das Land verliessen. Es eröffnete damit eine Duka (Laden) – und war drei Monate später pleite. Das ist kein Einzelbeispiel. Afrika wird regelmässig von Dürren heimgesucht – aber es gibt kaum eine Regierung, die dagegen Vorsorge trifft, etwa indem sie Dämme baut und Lebensmittel –Vorräte anlegt. Es ist halt einfacher, den Westen um Hilfe anzubetteln.
Du warst und bist Reisefotograf und Reiseschriftsteller. Würdest du einem jungen Menschen heute empfehlen, dir nachzueifern?
Die Zeiten haben sich verändert. Heute verdient man mit Fotografien kaum noch Geld. Man muss sich das einmal vor Augen führen: In den 1980er-Jahren erhielt ich für einen Bildband ein Honorar zwischen 50 000 und 60 000 D-Mark. Davon kann man heute nur noch träumen. Im digitalen Zeitalter sind auch die Preise für Bilder, die meine Agenturen verkaufen, ins Bodenlose gefallen. Früher bekam ich pro verkauftes Foto durchschnittlich 70 bis 80 Euro, heute fallen oft nur noch 1,50 bis zwei Euro ab.
Wieso ist das so?
Verantwortlich dafür ist die Digitaltechnik: Analoge Bilder konnte man nicht beliebig kopieren, weil jedes gute Duplikat zehn bis 20 D-Mark gekostet hat und trotzdem nie die Qualität des Originals erreichte. Digitale Kopien sind hingegen qualitativ genau so gut wie die Originale und ausserdem fast gratis herzustellen. Hinzu kommt die Konkurenz. Es gab zwar auch schon früher tolle Fotografen in den USA, aber ihre Bilder fanden nur ganz selten den Weg nach Europa. Heute müssen wir uns mit Leuten aus den USA, Japan und China messen, die teilweise viel günstigere Lebenshaltungskosten haben. Hinzu kommt, dass es auch viele begabte Hobbyfotografen gibt, deren Bilder sich qualitativ nicht von den Profibildern unterscheiden. Da sie aber von ihren Fotos nicht leben müssen, sind sie mit kleinsten Honoraren zufrieden – Hauptsache, sie lesen ihren Namen unter dem Bild.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften, die ein Reisefotograf mitbringen muss?
Reiche Eltern oder eine Frau, die hart arbeitet! Nein, im Ernst: Von der Reisefotografie allein kann kaum noch ein Freiberuflicher leben, zumal auch das Reisen in vielen Regionen immer teurer wird. Aber ich will niemanden entmutigen, der davon überzeugt ist, dass dies das Richtige für ihn ist. Auch ich hätte mich vor gut 40 Jahren nicht davon abbringen lassen. Irgendein Weg lässt sich immer finden und vielleicht sieht es in 20 Jahren wieder besser aus. Um auf die Frage zurückzukommen: Es braucht Ausdauer und ein gutes Händchen beim Verkaufen. Zudem ist es von Vorteil, wenn man noch andere Fähigkeiten mitbringt. Ein guter Redner kann beispielsweise Vorträge halten. Bei mir war es so, dass ich immer ein Komplettangebot verkaufte, also Bilder und Texte. Dadurch konnte ich höhere Honorare erwirtschaften. Ich bin froh, dass ich die Natur- und Reisefotografie in einer Zeit ausüben durfte, in der man – wenn auch mit harter Arbeit – davon leben konnte.
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Ich fotografiere sehr gerne auf Reisen. Ein Beruf würde ich aber daraus nicht machen, weil wie Willi bereits gesagt hat, der Wettbewerb dafür viel zu gross ist. Meine Bilder möchte ich mehr für mich und meine Arbeiten verwenden hinter welchen ich dann auch voll und ganz stehen kann.
Dank der heutigen Technik und Möglichkeiten ist es nicht mehr einfach, aus der grossen Masse heraus zu stechen…
Gutes Interview Oliver!
Vielen Dank fürs Lob, Thomas,
ich denke schon, dass man auch heute noch mit einer guten Bildsprache herausstechen kann. Wenn ich die Bilder von Willi beispielsweise mit meinen eigenen vergleiche, sehe ich da schon einen recht deutlichen Unterschied. (Ich bin natürlich auch kein Massstab…)
Auf der anderen Seite haben die Veränderungen ja auch ihre Vorteile für Leute, die eben nicht von fotografieren leben müssen. So wie du. Für begabte Hobbyfotografen ist es heute viel leichter, mit den Bildern ein Taschengeld zu verdienen. Je nach Sichtweise ist das auch eine durchaus positive Entwicklung.
Gruss,
Oliver
Hast das Interview gut hingekriegt, Oliver. Das war – bei meiner nicht durchweg positiven Einstellung dem heutigen Afrika gegenüber – nicht gerade einfach!
Thomas hat zwar Recht damit, dass es heute, im digitalen Zeitalter und selbst mit einfachen Kameras,
einfacher ist, Bilder oder kurze Videos zu machen, als mit analogem Equipment. Aber nach wie vor gilt der eherne Grundsatz „Der Mensch macht das Bild, nicht die Kamera“. Mit anderen Worten: Es spielt keine grosse Rolle, ob jemand analog oder digital fotografiert, mit einer Systemkamera oder einer „Knipse“. Wichtig ist, dass man ein Bild sieht, komponiert und gestaltet.
Im übrigen sind nicht die zahllosen „Amateure“ das grösste Problem der Profis, sondern die jedes Jahr kleiner werdenden Honorare der Printmedien und Onlinepublikationen die sich gegen Null bewegen. Sie decken die Kosten der Reisen, der Unterkünfte und der Kameras nur noch in seltenen Fällen.
Gruss aus dem Appenzellerland. WILLI
Hallo Willi,
auch wenn ich deine Erfahrungen und die daraus resultierenden Schlüsse absolut respektiere, möchte ich dir doch ganz klar widersprechen, dass der Zug für Weiße in Afrika abgefahren ist. Ich finde es absolut schade, den Menschen einzureden, dass es nichts anderes als Korruption, Überfälle und Abzocke auf dem Kontinent zu finden gibt.
Dass das „traditionelle“ Afrika mit Hütten, nackten Eingeborenen, Freiheit und Idylle absolut spannend und faszinierend ist, streite ich überhaupt nicht ab. Doch halte ich es für unfair, dem Kontinent sein Bestreben nach Weiterentwicklung vorzuwerfen. Dass die „Weiterentwicklung“ nicht gerade musterhaft abläuft ist mit Blick auf die Geschichte kein Wunder. Doch wird diese Weiterentwicklung zweifelsohne stattfinden.
Jetzt hängt es natürlich davon ab, was man als Afrika-Reisender sehen möchte. Ich kann es absolut verstehen, dass viele Dinge erschreckend wirken. Viele Länder wurden durch Bürgerkriege um Jahrzehnte zurückgeworfen, es fehlt an Bildung, Infrastruktur und ärztlicher Versorgung. Man kann nun auf das Elend zeigen und sagen, dass in Afrika Tod und Teufel los sind.
Schaut man in die andere Richtung, gibt sich jedoch ein anderes Bild: Da sind Schüler, die so wissbegierig sind, dass sich die ganze Klasse meldet. Da sind 15-jährige, die sich eigene Elektromotoren und Radiostationen aus Abfall basteln, weil sie neugierig sind. Immer mehr junge Leute gründen Unternehmen, wollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und sind erfolgreich: Im IT-Geschäft, Innovativen Ideen zur Abfallwirtschaft, Verlässlicher Autovermietungen, erneuerbaren Energien und vielen anderen Bereichen.
Klar, sind das nur kleine Beispiele und Eindrücke. Und auch wird die Korruption sicher nicht von jetzt auf gleich beendet werden können. Doch jede Generation hat neue Träume, Ideen und Vorstellungen. Vielen früheren Generationen wurden diese genommen. Nun aber versuchen immer mehr Menschen, sie umzusetzen. Die Menschen wirken fröhlich, freuen sich über jedes Gespräch – selbst korrupte, zunächst unfreundliche Polizisten. Und, warum auch immer – viele lieben die Deutschen :)
Ich kann nur jedem ans Herz legen, den Kontinent zu bereisen, dahin zu gehen wo es bunt und chaotisch ist, offen für Eindrücke und Bekanntschaften sein, und trotzdem immer einen gesunden Menschenverstand und Vorsicht walten zu lassen. Es wird viel schief laufen, es wird stressige Situationen und unangenehme Menschen geben. Das gehört dazu und man lernt, damit umzugehen. Aber viel wichtiger: Es wird einmalig werden!
Wen dieses Afrika interessiert, den lade ich ein, einen Blick auf unseren Blog http://www.ideasmadeinafrica.de zu werfen!
P.S.: Ich hoffe das Ganze kommt nicht zu harsch rüber, denn es muss natürlich jeder sein eigenes Bild von Afrika haben. Und da Willi viel mehr von Afrika gesehen hat als ich, kann ich erst recht nicht behaupten, ein erfahrener Afrika-Reisender zu sein. Vielleicht bin ich einfach nur einer der Jungen und Wilden, die naiv-optimistisch an das Positive glauben und festgefahrene Meinungen generell hinterfragen. Aber uns muss es ja auch geben :)
Liebe Grüße
Ideale Lektuere| Martin Meredith : The State of Africa. Denke Willi hat recht mit Ausnahme weniger Laender ist Afrika ein Desaster. Ob das selbstverschuldet ist oder von aussen unterstuetzt wird will ich nicht ansprechen. Abgesehen von weniger Laendern ist es fast nicht mehr lohnrnswert den Kontinent zu gereisen. Wenn selbst ein Paul Therox seine Reise in West Afrika abbricht weil es zu gefaehrlich ist dann ist es leider wirklich zur Zeit um Afrika geschehen.
Natuerlich soll jeder selber sehen und erfahren aber die Fluechtlingstroeme sprechen fuer sich.
Ein Gruss
Christian
Hoi Christian,
ich habe seit mehr als einem Jahr wieder mal ins Weltreiseforum gesehen – sorry für mein Stillschweigen.
Es liegt mir fern, den Afrika-Liebenden ihre Illusionen in punkto Afrika zu vermiesen. Aber bei ihnen handelt es sich zu 99% um Touristen und nicht um Residents, die wirklich mit dem Alltag in Berührung kommen. Afrika ist ein Chaoskontinent und wird sich in den nächsten Jahrzehnten nicht etwa positiv entwickeln, sondern es wird vermehrt zu Hungesnöten, Kriegen um Land und Wasser und Kämpfen um die Bodenschätze und andere Ressourcen kommen. Es wird eine winzige, rücksichtslose Ober- und eine riesige, von der Hand in den Mund lebende Unterschicht geben und als Folge davon wird die Kriminalität überhand nehmen (sofern das, z.B. in Kenia) noch möglich ist. Die Korruption dringt in die entlegendsten Winkel des Erdteils ein; schon heute gibt es in vielen afrikanischen Ländern Dienstleistungen (Strom, Wasser, ärztliche Versorgung, Permits etc.), die man nur bekommt, wenn man die Männer und Frauen an den Schalthebeln der Macht entsprechend schmiert.
Das alles wird die Traumtänzer, die Afrika besuchen, nicht von ihren irrealen
Meinungen und Ansichten nicht kurieren.
Hallo Max,
danke für dein Feedback mit dem du dir die Mühe zu einer Erwiderung genommen hast.
Ich kann sie problemlos stehen lassen – auch wenn ich mit Vielem nicht einverstanden
bzw. nicht gleicher Meinung bin.
Afrika mag wirtschaftlich Fortschritte machen. Aber diese Fortschritte kommen in fast allen
Ländern des Kontinents lediglich einer sehr kleinen „Elite“, d.h. jenen, die an der Macht
sind, zugute. Da spielt es keine grosse Rolle, dass eine – gemessen an der Gesamtbevölkerung –
verschwindend kleine Zahl von Jugendlichen und Jungerwachsenen sehr gut ausgebildet ist;
ohne das berühmte Vitamin B haben sie nicht die geringste Chance, einen guten Job zu
bekommen – es sei denn, der Vater, ein Bruder oder Onkel sitzt bereits an den Schalthebeln
der Macht. Tribalismus (früher Stammesdenken genannt) ist neben der Korruption eines der
Hauptübel Afrikas. Die Mehrzahl der jungen Akademiker (von den Armen gar nicht zu sprechen)
wünscht sich nichts mehr, als in die Arabischen Emirate, Europa und Nordamerika auszuwandern,
weil sie im eigenen Land keine Perspektiven haben.
Als das ostafrikanische Kenia 1963 unabhängig wurde, gab es angeblich keinen
einzigen schwarzen Millionär – heute sollen es rund 5 000 sein und die meisten von ihnen sind
früher oder noch immer in der Politik tätig/gewesen. Solange in Afrika nicht die Leistung zählt,
sondern das Beziehungsnetz (Vetternwirtschaft), wird sich nichts Grundlegendes ändern.
Es sei dir unbenommen, an das Gute im Menschen zu glauben; ich habe diesbezüglich nach
fast 50 Afrikajahren keine Illusionen mehr.
Beste Grüsse
WILLI
Hi Willi, gutes Interview..wie immer gnadenlos and right on the money…ein herzlicher Gruss Christian
Hallo Christian,
wie ich in meiner Antwort auf deinen Post schrieb, bin ich lange nicht mehr im Weltreiseforum gewesen und habe deinen Beitrag erst heute (07.10.2015) gelesen.
Danke fürs Kompliment bezüglich Interview.
Den Winter werde ich, wie seit Jahren, natürlich wieder in Afrika verbringen (mit dem LandCruiser, der im Interview abgebildet ist). Auf die immer wieder gehörte Frage „wieso gehst du da überhaupt noch hin?“ habe ich keine Antwort…
Gruss WILLI
„Junge Reisefotografen haben es heute schwer“
Hallo Oliver,
heute bin ich „zufällig“ auf unser Interview vom 27.5.2014 gestossen und habe es mit Interresse wieder-gelesen. Mir war,
als hätte ich das Interview mit dir erst gestern oder heute verfasst. Meine überwiegend düsteren/pessimistischen Antworten auf deine Fragen haben sich durchwegs bewahrheitet: die Korruption ist nach wie vor eines der grössten Probleme vieler (um nicht zu sagen aller…) afrikanischer Staaten, die Arbeitslosigkeit ist weit verbreitet, die Jugend hat keine positiven Zukunftsaussichten und die Kriminalität nimmt überhand. In vielen Ländern kommt es zu Demonstrationen (gerade eben
in Kenya); die Polizei und das Militär schiessen mit scharfer Munition auf die meist jungen Männer. Oppositionelle verschwinden auf Nimmerwiedersehen oder werden Tage und Wochen später tot aufgefunden. Dürren, Überschwemmungen und Feuersbrünste verwüsten weite Landstriche. Bürgerkriege (u.a. im Sudan, in Aethiopien, im Kongo) treiben Millionen in die Flucht. Migrantenströme ziehen quer durch Afrika, Krankheiten und Epidemien töten Hunderttausende. Die Lebensräume der einst über ganz Afrika verbreiteten Wildtierfauna werden jede Jahr kleiner und kleiner und viele Arten sterben aus. Nationalparks und Tierreservate werden zu Rummelplätzen. Und, und, und…
Ich habe die Entwicklung in einem Dutzend afrikanischer Staaten seit 1966 verfolgt. 2022 habe ich mich entschlossen,
meine Geschichte mit Afrika abzuschliessen. Ich habe den Entscheid nie auch nur einen Tag lang bereut.
Gruss aus dem Appenzellerland. Willi
Hallo Willi,
schön von dir zu lesen und hoffe, dass es dir gut geht. Ich denke, ein Thema, was wir damals überhaupt nicht behandelt haben und was es wohl noch schwerer macht, von der Fotografie zu leben, sind die ganzen KI-Bildgeneratoren. Ich merke auch hier auf dem Blog schon, dass sich in den letzten ein, zwei Jahren was verändert hat.
Gruss,
Oliver
Grüss dich Oliver,
vor zehn Jahren war noch kaum die Rede von KI und die wenigsten von uns konnten sich darunter etwas vorstellen. Uns Fotografen macht aber seit Jahren die Honorierung der Bilder zu schaffen. Es lohnt sich schon lange nicht mehr, die Bilder selbst zu vertreiben und die meisten Agenturen verramschen unsere Aufnahmen für kleinste Euro- oder gar Centbeträge. Honorarabrechnungen von EU 0.90 und weniger sind nicht ungewöhnlich. Bildagenturen sind dazu über gegangen, den Fotografen nur noch 35% für verkaufte Bildrechte zu bezahlen.
Buchverlage vergüten Kleinstbeträge für Spitzenmaterial (ein renommierter Münchner Verlag bot mir kürzlich für 50 Bilder eine Pauschale von EU 750.00 an, also EU 15,00 pro Bild).
Die ganzen Reisereien kosten ein Vermögen. Es gibt kaum noch Sehenswürdigkeiten, die man für wenig Geld oder gar gratis besuchen kann. Für die kleinste Ruine, den dünnsten Wasserfall und das kümmerlichste Heimatmuseum werden US $ 20.00 bis US $ 50.00 Eintrittsgeld verlangt. Den Vogel hat kürzlich der KWS (Kenya Wildlife Service) abgeschosen. Die Eintritte in ihre Nationalparks kosten pro Tag und Person zwischen US $ 80.00 und US $ 100.00. Für ein Tagesticket in die Massai Mara (Wildschutzgebiet) werden in der Hochsaison US $ 200.00 verlangt!. Nur der Besuch der Berggorillas in Ruanda und Uganda kostet mit US $ 750.00 bis US $ 1000.00 für eine Stunde noch mehr.
Junge Reisefotografen sind nicht zu beneiden :( :(
Gruss WILLI