100 Tage Heimat: Auf sechs Beinen durch Deutschland

Hundert Tage lang wanderte Jens Franke mit seinem Hund Aiko durch Deutschland.
Hundert Tage lang wanderte Jens Franke mit seinem Hund Aiko durch Deutschland.

Der Deutsche Jens Franke (32) wanderte mehr als drei Monate lang durch sein Heimatland. Im Interview des Monats erzählt er, warum er manchmal Heimweh verspürte, wieso er gerne mit seinem Hund Aiko reist und wie er dazu kam, seine Erlebnisse in Buchform zu veröffentlichen.

WRM: Jens, neigst du zu Heimweh?

Jens Franke: Nein, eher zu Fernweh.

Trotzdem bist du hundert Tage durch die Heimat gewandert. Hast du da je Heimweh bekommen?

Aber natürlich. Heimweh entsteht bei mir nicht nur, wenn ich tausende Kilometer von dem mir vertrauten Umfeld entfernt bin. Auf meiner hunderttägigen Reise hatte ich nicht selten ein vergleichbares Heimweh wie bei meinen Touren durch die Wildnis von Norwegen, Schweden oder Island. Heimweh assoziiere ich eher mit mir nahestehenden Personen und weniger mit Orten. Und ehrlich gesagt mag ich Heimweh, wenn es mich einmal heimsucht. Es zeigt mir, welche Menschen mir wichtig sind und steigert die Freude auf ein Wiedersehen.

Du hast dich bewusst entschlossen, Deutschland kennenzulernen. Wieso?

Ich habe schon viele Reisen und Abenteuer zu Fuß, mit Skiern und mit Kanu zu allen vier Jahreszeiten unternommen. Anfänglich dachte ich erneut an eine Tour im hohen Norden, doch zwei Gründe sprachen mit der Zeit immer stärker dagegen: Die Versorgung mit Essen für mich und vor allem für meinen Hund Aiko hätten wir nur mit viel Rucksackgewicht oder Depots angehen können. Außerdem ist mir in den letzten Jahren immer bewusster geworden, dass ich im Süden von Deutschland außer den Großstädten ganz wenige Regionen mit ihren landschaftlichen und kulinarischen Schätzen, ihren Geschichten und ihrem Brauchtum kenne. Meine Recherchen verstärkten meine Vermutungen zu einem unbändigen Drang mein Heimatland zu Fuß zu erkunden und vielleicht sogar zu verstehen.

Was bedeutet dir auf Reisen Exotik?

Viel, denn ich mag es, Unbekanntes mit all meinen Sinnen kennenzulernen. Manchmal braucht man dazu auch gar nicht weit reisen.

Langzeitwanderer und Buchautor Jens Franke.
Langzeitwanderer und Buchautor Jens Franke.

Du warst alleine mit deinem Hund unterwegs. Machte dies die Reise leichter oder schwieriger?

Mit einem Hund zu reisen bedeutet, nicht nur für sich die Verantwortung zu tragen. Allein in den Dörfern am Rande der Nationalparks Futter zu besorgen oder Unterkünfte zu finden, in denen Hunde willkommen sind, machte die Reise komplexer. Allerdings siehst Du durch einen Hund die Welt mit anderen Augen. Jeden Morgen stand Aiko am Bett und konnte es kaum erwarten, dass wir wieder aufbrechen. Er kennt nie das Ziel, aber erfüllt jeden Raum mit der größtmöglichen Vorfreude für den nächsten Tag. Und ich war zwar viel allein unterwegs, aber ich hatte auf einem guten Drittel der Reise auch menschliche Begleitung von meiner Freundin und meinen Freunden. Aber ja, ich mag auch das Reisen allein und würde es auf jeden Fall wieder tun. Du kommst leichter mit anderen Menschen ins Gespräch und musst Dich nicht erklären, wieso Du Stunden vor dem Sonnenaufgang auf einen Gipfel kletterst, um Ende nur Nebel fotografiert zu haben…

Wie hat sich dein Bild von Deutschland verändert?

Oft ertappe ich mich, wie sich in meinem Kopf eine Meinung zu einem Ort manifestiert, obwohl ich diesen noch nicht besucht habe. Vor allem bei Orten in Deutschland ist das so. Wie viele von uns haben eine Meinung zu Bielefeld und wie viele von uns waren schon einmal da? Ich merkte auf meiner Reise sehr oft, wie aus Ferne aufgebaute Vorurteile dahin bröckelten und sich mir die Regionen, Orte und Menschen oft ganz anders zeigten, als man landläufig behauptet. Am Ende war ich vor allem überrascht wie schnell man in so einem urbanen Land die Natur erreichen kann, um facettenreiche Landschaften abseits jeglicher Mobilfunknetze zu erkunden.

Hast du das Gefühl, dass du nun beinahe alle Facetten des Landes kennst, oder hättest du nochmals 100 Tage weiterwandern können?

Beim Blick auf die Stationen meiner Reise wird mir bewusst wie viel und gleichzeitig wie wenig ich von Deutschland gesehen habe. Hätte ich die finanziellen Mittel, würde ich liebend gerne wieder meinen Rucksack packen. Es gibt noch viel vor der Haustür zu entdecken.

Was würdest du heute anders machen, wenn du noch einmal vor dem gleichen Projekt stündest?

Ich wußte nur den Startpunkt meiner Reise und sah es vor allem nicht als Projekt, sondern als Belohnung für zehn intensive Jahre voller Projektarbeit. Ich reiste langsam, ließ mich treiben und war offen viele der in mir manifestierten Bilder von Deutschland mit meinen eigenen Augen kennenzulernen.  Ich hatte in den hundert Tagen unvergessliche Begegnungen, Erfahrungen und fast täglich wurde ich positiv von Deutschland und den Deutschen überrascht. Nach der Reise kam dann Malik National Geographic, mein Traumverlag, auf mich zu und fragte, ob ich über die Reise ein Buch schreiben will. Somit habe ich mir nie die Frage gestellt, was ich anders hätte machen können. Nur eine kleine Sache: Der Verlag hätte sich mehr Fotos von mir beim Reisen gewünscht, aber der Selfie-Trend ist an mir vorüber gegangen.

Treuer Begleiter: Der Husky Aiko war auf der Reise immer dabei.
Treuer Begleiter: Der Husky Aiko war auf der Reise immer dabei.

Es ein Glücksfall, dass der Verlag dich zuerst kontaktiert hat. Wie ist er denn überhaupt auf dich aufmerksam geworden?

Anfänglich veröffentlichte ich regelmäßig Tagebucheinträge in meinem Blog »100 Tage«. Dies stellte ich aber nach gut 40 Tagen ein. Reisen und gleichzeitig über etwas Vergangenes schreiben, das funktioniert für mich nicht. Lieber genieße ich den Augenblick und schreibe mit etwas Abstand von zu Hause. So gehe ich ein zweites Mal auf Reisen. Im Blog selbst trugen liebe Leser immer wieder den Wunsch an mich heran, über all die Erlebnisse ein Buch zu schreiben. Ich prüfte das nach meiner Reise auch einmal, aber schreckte vor den hohen Mauern der Verlagshäuser zurück. Dass der Verlag dann meinen Blog entdeckte und auf mich zukam, ist natürlich ein unbeschreibliches und unfassbares Glück.

Im Buch schreibst du häufig zu den lokalen kulinarischen Spezialitäten? Was hat dir am besten gemundet?

Ich habe versucht so viel Geld wie möglich bei der Unterkunft zu sparen. Folgende regionale Köstlichkeiten durfte ich dadurch genießen:

– Kastaniencremesuppe mit Walnussbrot im Gasthof zum Lam in Gleiszellen

– Flammkuchen mit Meerrettich und Rote Beete im Kirchstübel in St. Martin, Pfalz

– Saibling mit Gurken-Kartoffel-Ragout und Djonsenfsoße im “Zum Roten Bären” in Freiburg

– Pfälzer Carpaccio vom Saumagen im Liebstöckl in Neustadt an der Weinstraße

– Spinat-Nockern mit Nussbutter und Parmesanhobel in der Kenzenhütte in den Ammergauer Alpen

– Frische Buttermilch in den Alpen, alkoholische und nicht alkoholische Getränke aus den Weinbergen der Pfalz, die Biere im Frankenland und das süffige dunkle Bier aus dem Kloster Weltenburg – der ältesten Klosterbrauerei der Welt

Welche Reise hast du als nächstes geplant?

Nach einer so langen Zeit am Schreibtisch würde ich lügen, wenn ich nicht etliche Ideen für kommende Reisen habe. Konkreter planen werde ich aber erst Ende des Jahres, davor steht mein Buch und die damit verbundenen Lesungen und Vorträge im Mittelpunkt und somit auch wieder das geliebte Reisen in Deutschland.

Buchtipp: 100 Tage Heimat

Cover_100_Tage_Heimat
Jens Franke machte sich auf, die eigene Heimat kennenlernen. Auf rund 300 Seiten schildert er, wie er am geographischen Mittelpunkt Deutschlands startete und mehr als drei Monate lang hauptsächlich den Süden Deutschlands erkundete. Begleitet wurde er stets von seinem treuen Husky Aiko. Mehr zur Reise erfährst du auf dem Blog von Jens Franke und seiner Facebook-Seite. Bestellen kannst du das Buch über Amazon.

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2 Kommentare

  1. Das ist ein wirklich schönes Reisebuch! Ich mag besonders die Entdeckung der Langsamkeit und der Konzentration auf den Augenblick, die der Autor beschreibt. Er ist übrigens auch sehr sympathisch, ich habe ihn auf der letzen Frankfurter Buchmesse rein zufällig kennen gelernt. Ich war dort, um mein Buch „Vom Glück mit Katzen zu wohnen“ vorzustellen. Für das Buch bin ich auch viel gereist, obwohl es nicht ums Reisen geht. Aber ich habe für die Recherche der 1Wohnporträts im Buch 18 prominente und interessante Katzenfreunde in ihren Wohnungen besucht – überall in Deutschland, in Wien, Luzern, am Lago Maggiore, in Italien, Südfrankreich… Buchautor kann auch ein Reise-Job sein – entweder man reist für ein Sachbuch, wie ich, oder verbringt Monate in einem Land als Recherche für einen Roman. Wobei man als (nicht etablierter) Romanautor das Risiko eingeht, die Reisekosten am Ende nicht wieder zu erwirtschaften, während Sachbücher meist im Vorfeld gemeinsam mit dem Verlag geplant werden und dabei auch ein Reisekostenübernahmebudget abgesprochen wird. Normalerweise jedenfalls – bei Jens Franke war es ja nicht so, da er die Reise ja eigentlich als Urlaub geplant und schon unternommen hatte, als der Verlag auf ihn zukam. Durch den Erfolg des Buches (Autoren bekommen ja normalerweise Prozente pro verkauftem Buch) dürfte er die Reisekosten aber sicher um ein Vielfaches wieder wettgemacht haben :-)

    1. Hallo Maike,

      schön, dass du wieder mal vorbeigeschaut hast und vielen Dank für den Kommentar. Über dein Buch bin ich (virtuell) übrigens auch schon gestolpert. Leider in den Tagen als die Katze meiner Eltern starb. :(

      Auch wenn ich den Autor nie persönlich getroffen habe, hat er mir doch einen sehr symphatischen Eindruck gemacht. Das kommt auch im Buch so rüber, das auch mir insgesamt gut gefiel. Meiner Meinung hätte es aber etwas gewonnen, wenn es ein bisschen kürzer gewesen wäre. Ich las es nicht ganz zu Ende.

      Ich weiss nicht, wie gut sich das Buch verkaufte. Aber normalerweise landet ja nur ein sehr kleiner Prozentsatz beim Autor. Das kennst du wohl selber. Ich denke mal, dass da etwa ein Euro pro verkauften Buch drinliegt. Bis man da die Reisekosten um ein Vielfaches wettmacht, muss man schon recht viele Exemplare verkaufen. Das wäre ihm aber zu gönnen.

      Gruss,
      Oli

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