Sri Lanka: Intime Gespräche unter Frauen

Braut nach der Hochzeitsnacht in traditionell blutroter Kleidung. Foto: Marion Schwartzkopff
Braut nach der Hochzeitsnacht in traditionell blutroter Kleidung. Foto: Marion Schwartzkopff

Sex vor der Ehe? Wie sieht es mit der Verhütung aus? Weltreisemagazin-Autorin Marion Schwartzkopff ist gerade in Sri Lanka unterwegs und hat vor kurzem den einheimischen Frauen ein paar indiskrete Fragen gestellt. Von Frau zu Frau.

Für Asha dürfte es schwierig werden, das Schulgeld für den kleinen Sohn zusammen zu bekommen. Die freundliche Strandverkäuferin hat direkt gegenüber auf der anderen Strassenseite ein kleines Textilgeschäft, wo sie unter anderem für Touristen Kleider näht. Ich habe den Laden gestern entdeckt und mir gleich eine Pumphose aus Sariseide schneidern lassen, zwei luftige, weit flatternde Oberteile und dazu noch eine zweite Hose aus dünner Baumwolle. Ihr Mann, der sonst Touristen durch die Nationalparks führt, hat derzeit kaum Kunden. Es ist Nebensaison. Nun ist sie diejenige, die die Familie durchbringt.

Stolz schwingt in ihrem Lächeln darüber mit – wenn das nicht gelebte Emanzipation ist! Mit ihrem Schneiderlohn und dem Geld ihres Mannes kann Asha ihren Achtjährigen sogar auf eine private Schule schicken. Nun kommen Asha und ich vom Hölzchen aufs Stöckchen, typisch Frau eben. Und weil Asha auch Zutrauen gefasst hat, platze ich mit einer Frage heraus, die mir als Frau unter den Nägeln brennt: „Asha, sag mal, war das eine Liebesheirat oder eine arrangierte Ehe?“ – „Oh, hier in Sri Lanka sind die meisten viel moderner als ihr meint. Meinen Mann habe ich mir schon selber ausgesucht“, strahlt sie, und es ist sofort klar, dass die beiden gut miteinander klar kommen.

Immer mehr Liebesheiraten

Sie erzählt weiter: „Die meisten jungen Leute heiraten heute aus Liebe. Rein arrangierte Ehen gibt es sicher noch, aber alle meine Freundinnen haben aus Liebe geheiratet. Wenn Deine Eltern völlig gegen den sind, den Du Dir ausgesucht hast, kannst du dich vermutlich nicht einfach darüber hinwegsetzen. Aber wenn Dein Freund ein guter Kerl ist, werden die meisten Eltern der Hochzeit zustimmen.“

Asha hat mit 27 Jahren geheiratet, ziemlich spät für Sri Lanka, wie ich dachte. Aber hier muss ich mich eines Besseren belehren lassen: Ashas Cousinen, ihre Freundinnen: keine hat vor 25 geheiratet. Und sie haben auch nicht alle eine Kinderschar „wie die berühmten Orgelpfeifen“. Darauf bezieht sich gleich meine nächste, ziemlich indiskrete Frage: wie es denn um die Geburtenkontrolle bestellt sei, in Sri Lanka. Im Dorf gebe es eine Art Hebamme, die zu den jungen Paaren geht und ihnen die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigt, erklärt mir Asha, nachdem sie den ersten Schreck über diese Intim-Inquisition überwunden hat. Kondome kennt jeder, viele Frauen nehme die Pille. Bei der Empfängnisverhütung liegt Sri Lanka – mit 68 Prozent der Frauen, die verhüten, in der Tat nur knapp hinter Deutschland – hier sind es 70 Prozent.

Asha mit ihrem Mann und Sohn in ihrem Schneiderei-Geschäft. Foto: Marion Schwartzkopff
Asha mit ihrem Mann und Sohn in ihrem Schneiderei-Geschäft. Foto: Marion Schwartzkopff

Die offiziellen Statistiken decken sich so ungefähr mit dem, was ich im Schneiderladen erfahren habe. Sri Lanka hat eine Geburtenrate von 2, 4 (zum Vergleich: Deutschland 1,4; Niger 7,2; Indien 2,7, Pakistan 3,7, Saudi Arabien 3,0). Im Alter zwischen 15 und 19 Jahren gibt es in Sri Lanka nur 22 Geburten auf 1.000 Einwohner (zum Vergleich: BRD 7; Pakistan 288, Indien 77). Im Alter zwischen 20 und 24 Jahren kommen in Sri Lanka 70 Geburten auf 1.000 Einwohner (Deutschland 53,0; Indien 229). Im Alter von 25 bis 29 sind es in Sri Lanka 109 Geburten auf 1.000 Einwohner (Indien 177) und im Alter von 30 bis 34 Jahren 100 (Indien 89, Deutschland 79). Mein Vorurteil ist widerlegt, von wegen „Kinder wie die Orgelpfeifen“: Asha ist mit ihrer Familienplanung am Ende, der Abstand zwischen beiden Söhnen beträgt immerhin vier Jahre.

Beim Stillen hingegen ist Sri Lanka sehr traditionell. Hier würde im Grunde jede Frau ihr Kind stillen, sagt Asha und zwar durchaus ein paar Jahre. Dies bestätigt mir später am See auch Delrukshi, die ich beim Waschen an einem der vielen Stauseen treffe. Sie hat ihren Erstgeborenen im Grunde durchgestillt: er ist fünf, als sein Schwesterchen auf die Welt kommt und hat erst nun aufgehört, sich ab und an noch die Portion Muttermilch abzuholen. Dass er schon in die Vorschule geht, war für ihn kein Grund, aber ein Baby sein, wie seine Schwester, das will er nicht. Von heute auf morgen war das Thema für ihn erledigt. Beim Stillen liegt Sri Lanka in den Statistiken auf Rang fünf weltweit, was die Häufigkeit der gestillten Kinder angeht (zum Vergleich Indien Rang 43, Pakistan Rang 64).

Blutrote Kleider nach der Hochzeitsnacht

Am Morgen hatte ich ein Brautpaar beobachtet, das vor der Kulisse eines großen Buddhas seine Hochzeitsfotos machen ließ. Wunderschön und von unnachahmlicher Anmut, aber auch großer Schüchternheit, posierte die junge Frau vor dem Fotografen. Die Braut war blutrot gekleidet und auch der Bräutigam trug ein blutrotes Hemd unter seinem schwarzen Anzug. Ich fragte Asha, was es damit auf sich hatte. „Dies ist der zweite Tag der Hochzeit. An diesem Tag sind Braut und Bräutigam rot gekleidet. Am Hochzeitstag selber trägt die Braut weiß. Weiß symbolisiert ihre Reinheit, ihre Unschuld. Nach der Hochzeitsnacht trägt sie mit ihrem Mann die Farbe des Blutes.“ Ich bin gerührt und auch erschüttert über so viel Offenheit bei Asha.

„Wir legen in Sri Lanka noch sehr großen Wert auf Traditionen. Die höchste Ehre einer Frau ist ihre Unschuld. Ich weiß, dass dies für Euch Europäer seltsam klingt. Doch hier findet eine Frau nur sehr schwer einen Mann, wenn sie keine Jungfrau mehr ist. Ihre Reinheit ist die Voraussetzung für die gültige Ehe. Am Morgen nach der Hochzeitsnacht senden die Eltern des Bräutigams immer eine Alte zum Brautpaar, deren Aufgabe es ist, das Laken im Brautbett zu untersuchen. Kann sie den Eltern berichten, dass sie es blutig fand, ist die Ehe gültig. Voller Stolz kleiden sich die jungen Leute dann an diesem Morgen gemeinsam in der Farbe des Blutes.“

Auf die Jungfräulichkeit wird in Sri Lanka immer noch sehr viel Wert gelegt, Sex vor der Ehe ist eher die Ausnahme, zumindest bei der dörflich wohnenden Bevölkerung. Man trifft sich für Zärtlichkeiten, wenn dies denn überhaupt möglich ist – hier wachen die Eltern mit Argusaugen! – im Geheimen, doch oft ist vor der Ehe nicht mehr als Küssen, Händchenhalten und kleine Berührungen über der Kleidung möglich. Pärchen, die unverheiratet Sex haben, sind wohl eine ziemliche Ausnahme oder man lässt sich allerhand einfallen, um trotz Sex das Hymen zu erhalten.

Diese Details hat mir dann allerdings nicht Asha verraten, dazu war sie doch zu verschämt. Dieses Infos habe ich dann während meiner Reise aus einem Mann herausgeholt, unter Einsatz und dem deutlichen Einfluss einer Flasche Arrak und dem Versprechen, bloß niemals seinen Namen zu nennen. Großes Journalisten-Ehrenwort: der Informant bleibt geheim!

 

Werbeanzeige

Hier weiter lesen

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert