Tsukiji in Tokio: Zu Besuch im weltgrößten Fischmarkt

Ein Arbeiter zerkleinert einen Thunfisch im Tsukiji-Fischmarkt, dem bedeutensten Fischmarkt der Welt. Foto: O. Zwahlen

Sushi und Sashimi stehen für Japan, wie Schokolade für die Schweiz und Sauerkraut für Deutschland. Vom Jetlag geplante Japan-Reisende können im Tsukiji-Fischmarkt in Tokio sehen, wo das ganze Sushi herkommt – und dabei den Mund ganz vollnehmen.

Ando Yamamoto steht an einer etwas überdimensioniert wirkenden Stichsäge. Langsam schiebt er den gefrorenen Fischblock auf die schrill summende Maschine zu. Das Sägeblatt frisst sich langsam in den rund zwei Meter langen Thunfisch und gibt den Blick auf das hellrosa Fleisch frei. Gegen drei Uhr früh war dieser Fisch mit einer ganzen Ladung anderer Thunfische im Tsukiji-Fischmarkt angekommen. Anschließend hatten Experten seine Qualität festgelegt und in einer Auktion ging er an den meist bietenden Fischhändler. Yamamoto muss ihn nun in handliche Stücke verkleinern und in Styroporschachteln verpacken. Der Fisch hat einen langen Weg vor sich.

Der Tsukiji-Fischmarkt in Tokio ist der größte Umschlagsplatz für Fische weltweit. Händler können hier alles erwerben, was das Meer hergibt: vom relativ günstigen Seetang bis zum teuersten Kaviar und von den kleinen Sardinnen bis zu den größten Walfischen. Jedes Jahr gehen rund 700.000 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte durch die geschäftigen Hallen. Rund 60.000 Menschen arbeiten im und direkt für den Fischmarkt.

Sightseeing für Frühaufsteher

Zugang nur noch nach Anmeldung.

Draußen ist es noch dunkel. Wer den Fischmarkt besuchen will, muss früh aufstehen. Kurz nach 5 Uhr früh beginnen die lizenzierten Auktionäre die Fische zu ersteigern: ein beeindruckendes Spektaktal, das in den letzten Jahren so viele Touristen angezogen hat, dass Reisende zeitweise vom Innern des Markts ausgeschlossen wurden. Derzeit ist die Regel, dass 140 Gäste zugelassen sind. Wer zuerst kommt, hat Glück. „Sumimasen, das Kontingent ist heute ausgeschöpft, kommt doch morgen wieder“, sagt ein Sicherheitsbeamter zwar höflich, aber etwas kurz angebunden. Auf seinem Bauch und dem Rücken steht auf Englisch: „Kein Eintritt“. Ich hatte also kein Glück.

Ein Paar aus Australien, das ich später treffe, hat es geschafft und konnte an die Auktion. Sie mussten sich gegen 4.30 Uhr beim Fischinformationszentrum gerade innerhalb des Kachidoki-Tors bei der Harumi- Straße registrieren. Dieser Hürdenlauf war nötig geworden, weil es immer wieder Probleme gab. Vor ein paar Jahren waren beispielsweise betrunkene Engländer dabei gefilmt worden, wie sie einen Thunfisch abgeleckten. Andere Touristen nutzten die zum Verkauf stehenden Fische als Stativ für ihre Kameras oder sprangen auf eines der vielen Transportfahrzeuge auf. Auch wir bekamen am Eingang gleich den entsprechenden Hinweis von einem Wächter: „Wenn ihr einen Fisch berührt, müsst ihr ihn kaufen.“ Das kann teuer werden: Ein Thunfisch kostet schnell 10.000 Franken und mehr.

Die Verlockung, den frischen Fisch in der Verarbeitungshalle anzufassen ist groß. Noch grösser ist aber die Gefahr, dass man etwas aus Versehen berührt. Die Halle ist zwar riesig, aber dennoch ist alles so eng, dass man den Arbeitern ständig im Weg steht. Immer wieder huschen die für den Markt so typischen kleinen Gabelstapler vorbei, bei denen die Fahrer hinten auf einem kleinen Brett stehen.

Vor dem Umzug?

Dass es den Tsukiji-Fischmarkt überhaupt noch gibt, ist ein großer Glücksfall. Seine Geschichte reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Damals war seine Hauptaufgabe, den kaiserlichen Hof mit frischen Speisen aus dem Meer zu versorgen. Was der Hof nicht benötigte, konnten die gewöhnlichen Menschen erwerben. Auf diese Weise wuchs der Markt über die Jahrhunderte. Beim Großen Kanto-Erdbeben 1923 wurde der frühere Markt schwerbeschädigt. Das heutige Gebäude stammt aus dieser Zeit und ist im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ gebaut. Die Regierung hatte Delegationen nach Europa und vor allem nach Deutschland geschickt, um für den neuen Markt eine passende Architektur zu schaffen.

Wie lange der Tsukiji-Fischmarkt noch an der gegenwärtigen Stelle bleiben wird, ist fraglich. Schon seit mehreren Jahren will ihn die Regierung auf die andere Seite des Sumida-Flusses nach Toyosu verlegen, wo es mehr Platz gibt. Doch viele Händler sind von dieser Idee nicht gerade begeistert. Der neue Markt würde sich nämlich nicht mehr im Stadtteil Tsukiji befinden – dabei genießt der Fisch von diesem Markt einen ganz besonders guten Ruf.

Auf zum Frühstück

In der Markthalle findet man kleine Stände mit sehr preiswerten Sashimis

In der Verarbeitungshalle gibt es nicht nur Großhändler, sondern auch zahlreiche kleine Stände mit drei bis vier Hockern, wo Gäste frisch geschnittenen Sashimi kaufen können. Während sich draußen vor den wenigen Sushi‐ Läden in der Seitengasse Uogashi‐dori teilweise lange Schlangen bilden, kann man im Innern günstiger und relativ ungestört speisen – zumindest, wenn man sich nicht an der umtriebigen Atmosphäre stört.

Trotzdem sollte man auch einen Blick in Sushi-Läden werfen. Sie sind in der Regel klein und ausgesprochen japanisch. Alles andere als schicke Speisetempel dienten sie in erster Linie den Händlern und Arbeitern als Kantine. Welchen Laden man auswählt, spielt keine so große Rolle, da alle das gleiche Rohmaterial verwenden.

Praktische Tipps:

Die Anreise erfolgt am besten über die Oedo-Linie zur Station Tsukiji-Shijo, Ausgang A1. Alterativ bietet sich der U-Bahnhof Tsukiji-Station auf der Hibiya-Linie an.

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