Tioman: Das Tor zur vergessenen Welt

Die Wetterumschwünge sind Teil des Reizes der malaysischen Ferieninsel Tioman. Bild: Marco Tschuy

Tioman galt einst als eine der schönsten Inseln der Welt. Trotz der starken touristischen Nutzung gelingt es auf dem zwölf Kilometer breiten und 39 Kilometer langen Eiland vor der malaysischen Küste noch immer, sich ins Zeitalter der Drachen zurückzuversetzen. Weltreisemagazin-Autor Marco Tschuy hat das tropische Paradies besucht.
von Marco Tschuy von Firstiwasblind

John holt uns am Hafen ab. Vor elf Jahren war der rund 50-jährige Brite auf Tioman gekommen, um dort sein Mittagessen zu sich zu nehmen. Verlassen hat er die Insel seither nicht mehr. Das erstaunt kaum: In den Siebziger Jahren hatte das Times-Magazin die kleine Insel im südchinesischen Meer, rund 50 Kilometer von Mersing an der Ostküste Malaysias entfernt, zu einer der schönsten Inseln der Welt erkoren. Dann entstand im Norden ein kleiner Flughafen, der es der Oberschicht aus Singapur erlaubte, in 30 Minuten in das ursprüngliche Paradies zu reisen. Seither boomt der Tourismus und damit auch Johns Geschäft.

Trotzdem ist der Naturbursche John mit der Entwicklung der Insel nicht so ganz einverstanden. Der Brite betreibt auf der Ostseite von Tioman in der Nähe von Juara ein kleines Resort, hauptsächlich für Backpacker. Auf der Fahrt dorthin erzählt er, dass er den Asphaltbelag, auf dem wir uns gerade bewegen, am liebsten in die Luft sprengen würde. „Die Insel ist zu stark erschlossen“, schimpft er. Sein einst abgelegenes Zuhause sei nun ohne weiteres mit dem Auto zu erreichen. Es gebe keine Herausforderung mehr. Früher habe man sich erst durch den Dschungel kämpfen müssen, um eine Cola zu kaufen. „Heute fahren die Teenager auf der Straße Rennen und schmeißen Müll in den Dschungel.“

Noch größere Sorgen bereiten ihm allerdings die Investoren, die seine geliebte Wahlheimat in einen profitablen Ferienort verwandeln wollen. „Vor ein paar Tagen war ein Politiker der Landesregierung hier“, erzählt John. „Er versprach, mich bei meinem Rettungsprojekt für Schildkröten zu unterstützen. Am nächsten Tag schüttelt er einem reichen Chinesen die Hand. Er gratulierte ihm zum frisch erworbenen Grundstück auf Tioman.“ Für den Schutz der Schildkröten, Johns große Leidenschaft, bleibt da keine Kapazität mehr. Bereits jetzt finden sie wegen den menschlichen Aktivitäten kaum noch Brutplätze. Das Geld mache das Leben auf der Insel kaputt. Nicht nur das der Tiere, sondern auch das der Bewohner. Vor wenigen Jahren waren die Insulaner glücklich mit dem, was sie hatten. Nun will jeder reich werden und selber in Urlaub gehen.

Alternative Unterkünfte
Noch präsentiert sich Johns Unterkunft so alternativ wie er selber. Kleine Bungalows schmücken den Strand. Daneben mündet ein Fluss ins Meer. Er scheint tief aus dem Herzen der Insel zu sprudeln. Der Dschungel im Landesinneren ist für John und seine Gäste dann auch ein Fluchtort aus dem modernen Alltag. Zahlreiche Hotels bieten Erkundungstouren auf dem Kajak an. Wir gehen mit John mit. „Schaut stets in die Äste über euch!“, warnt er. Bereits nach wenigen Minuten verstehen wir, was er damit meint: hoch oben in den Bäumen schlummert eine Schlange. Ein paar Bugwellen später, als King Louie mit seiner Truppe aus den Büschen auftaucht, fühlen wir uns in eine Szene aus dem Dschungelbuch versetzt. Auf einmal huschen ein paar Fische unter dem Boot durch. Sie sind schon verschwunden, bevor ich fragen kann, ob das tatsächlich Piranhas waren. Zur Sicherheit kühle ich meine Hand nicht mehr im Wasser ab.

Der Dschungel bleibt aber nicht dort, wo er sein sollte: in sicherer Distanz. Hinter den Bungalows tummeln sich die riesigen Komodo-Drachen. Mit ihrer ledrigen Haut, ihrem breiten Maul und den spitzen Zähnen, erinnern sie stark an die Reptilien, die vor Millionen von Jahren unsere Welt beherrschten. Doch auch hinter verschlossene Türen gelangen Viecher. Notabene neben Kopfkissen tauchen Spinnen in der Größe einer Hand auf und zappeln verängstigt davon. Strandflöhe sind nicht einmal mit einer dicken Schicht Insektenschutzmittel davon abzuhalten zuzubeißen. Die an den Wänden klebenden Geckos lachen lauthals über die Szene. Zum Glück hält diese Spezies die Mücken fern.

Meeresschildkröten bevölkern das Gewässer rund um Tioman.
Meeresschildkröten bevölkern das Gewässer rund um Tioman.

Der wahre Dschungel Tiomans befindet sich indes unter der Meeresoberfläche. Wir binden uns die Sauerstoffflaschen auf den Rücken und schwimmen ins offene Meer hinaus. Im Hintergrund ragen die zwei Bergspitzen in dem Himmel, die Tioman unverkennbar machen. Gemäß der lokalen Legende sind die rund 700 Meter hohen Gipfel die Hörner eines Drachens, der eingeschlafen ist und heute die Ferieninsel bildet.

Tioman ist eigentlich nicht für seine Tauchoptionen bekannt. Wir sind dann auch erstaunt, dass das Gewässer mit einer regelrechten Nemo-Parade auftrumpft. Ein paar Schwarzspitzhaie schießen ebenfalls vorbei und sogar einer giftigen Seeschlange können wir zuschauen, wie sie sich durch das ewige Blau schlängelt.

Wetterkapriolen sind an der Tagesordnung
Wieder an der Wasseroberfläche tobt inzwischen ein Sturm – Tioman ist für seine Wetterumschwünge bekannt. Die Zwillingsberge sind von den Wolken verschluckt. Dicke Regentropfen fallen aufs Wasser und verleihen ihm ein gesprenkeltes Muster. Unter Blitz und Donner bahnen sich innert Sekunden kleine Bäche ihren Weg durch den Sand ins Meer. John klagt bereits wieder: „Erst vor kurzem kam das Wasser bis unter mein Bett. Von wegen globaler Erderwärmung sei ein Mythos. Wer das behauptet, soll einmal bei Flut und Sturm bei uns übernachten. Vor ein paar Jahren lag mein Haus außer Reichweite des Meeres, heute spült es mir die Stühle unter dem Po weg.“

Die Wolken lichten sich und dahinter gelingt es, der Sonne ihre abendlichen Strahlen auf die Insel zu werfen. Im besten Licht präsentiert sich das satte Grün des Dschungels. Hie und da ist ein Wolkenfetzen hängen geblieben, als möchte der Dschungel sich geradezu für ein Foto schmücken.

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Ein Kommentar

  1. Na das ist ja spannend, dass es auf Tioman neuerdings Komodo-Warane und Piranhas gibt!
    Kleiner Hinweis: Von den Komodo-Waranen leben nur noch wenige tausend auf einigen Inseln rund um Komodo, Indonesien. Was auf Tioman rumläuft sind Bindenwarane, die wesentlich kleiner sind und nicht vom Aussterben bedroht. Und Piranhas? Leben offiziell in Südamerika und sollten nicht in asiatischen Flüssen zu finden sein.

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