Sri Lanka: Buddha, Vishnu und ein bisschen Voodoo
Neben dem Buddhismus ist bei der singhalesischen Bevölkerung auf Sri Lanka auch der Glaube an hinduistische Götter und Geister fest verankert. Dem Aberglauben begegnet man jeder Ecke. Ein außergewöhnlich geistreicher Erlebnisbericht.
„Weißt Du, was der Mann dort am Strand macht?“ fragt mich mein Fahrer Nugadheni Arachchige und zeigt auf jemanden, der mit den Füßen in den Wellen steht und mit bloßen Händen Sand in eine Plastiktüte schaufelt. „Sand sammeln?“ frage ich. Ich befinde mich in Hikkaduwa, am Strand des Moon Beam Hotels und trinke gerade meinen Frühstückstee. „Wieso, hat das was zu bedeuten?“
„Er gibt diesen Sand, auf den noch niemand einen Fuß gesetzt hat, in seinem Dorf einem besonderen alten Mann“, erklärt mit der 37-Jährige. „Dann kann er sich etwas wünschen. Etwas Gutes oder etwas Böses.“ Dies könne ein Zauber für seinen Nachbarn sein, der ihn immer ärgert oder den er nicht leiden kann. „Er kann sich wünschen, dass Queen Kobra kommt und ihm einen tüchtigen Schrecken einjagt, oder dass dessen Kürbisernte im Monsun ersäuft.“ Er könne sich aber auch etwas Gutes für sich selber wünschen. Zum Beispiel, dass sein Haus und seine Familie immer von freundlichen Geistern beschützt werden. Oder dass seine Frau viele, viele Kinder bekommt.
Das hört sich für mich ganz schön nach Voodoo an. Und das ist es wohl auch. Auf Sri Lanka hat neben dem Buddhismus auch gleichermaßen der Hinduismus seinen Platz und ein bisschen Animismus geht eben auch. Sie alle sind ineinander verwoben, denn der tolerante Buddhismus lässt Göttern ebenso Platz wie Dämonen.
Mir fiel nun wieder ein, dass sich auch mein Fahrer nicht nur vor jedem Buddha verbeugt hatte, sondern immer wieder vor hinduistischen Schreinen Räucherstäbchen entzündet und kurz gebetet hatte. Der beliebte hinduistische Elefantengott Ganesha durfte in seinem Auto, als dickbäuchiger, freundlicher Glücksbringer vom Spiegel schaukelnd, nicht fehlen.
Buddhismus und Hinduismus führen in Sri Lanka in den Tempeln eine friedliche Koexistenz. In nahezu jedem buddhistischen Tempel findet man auch hinduistische Gottheiten – in farbenfrohen Gemälden abgebildet oder als bunte Statuen – oder neben dem buddhistischen Schrein ist auch noch einer für die hinduistischen Götter, für Shiva und Parvati, für Vishnu und Ganesha. Ceylonesischen Könige nahmen über Jahrhunderte immer wieder indische Prinzessinnen als Gemahlin, schon allein im Sinne des Haus- und Familienfriedens musste man an die Götter der Gattin denken, wenn man als König einen Tempel erbauen ließ.
Die Daten der letzten Volkszählung sind da sehr viel nüchterner und weisen 70 Prozent der Bevölkerung Sri Lankas als Buddhisten, rund 13 Prozent als Hindus, etwa zehn Prozent als Muslime und sieben Prozent als Christen aus. Neben dem Buddhismus und dem Glauben an hinduistische Gottheiten ist auch der Glaube an Geister und Zaubereien in der singhalesichen Bevölkerung fest verankert. Selbst junge Leute, die mittlerweile mehr Englisch als Sinhala sprechen, weil sie beruflich viel mit Touristen arbeiten, sind so abergläubisch, dass ich oft schmunzeln muss. Sri Lanka – ein Land der Gruselgeschichten, der Mythen und des Aberglaubens.
Geister von Toten, verhexte Dinge oder eben der böse Fluch des missgünstigen Nachbarn: Voodoozauber ist allgegenwärtig und wahrhaftig für die Menschen in Sri Lanka. Vor allem um die Wasserfälle im Hochland rankt sich so manche Geistergeschichte. So auch um den Mohini Fall, ganz in der Nähe von Adam´s Peak. Seine Kaskaden sehen wie die weißen Locken einer Frau aus. Nachts wird er deswegen von den abergläubischen Dorfbewohnern sorgsam gemieden. Und der Führer, den ich dort hatte, konnte beschwören, dass er noch im vergangenen Sommer die Erscheinung jenes Mädchens gesehen hatte, das sich dort vor langer Zeit den Wasserfall hinunter gestürzt hatte.
So führt dann auch Nugadheni, von meinem ungläubigen Staunen stumm begleitet, seine Erklärung zum verhexten Sand weiter aus: „Dieser alte Mann mischt viele, viele Kräuter und komische Sachen unter den Sand und spricht dann einen Zauber aus. Dann ist der Sand fertig, und du kannst ihn in der Tüte wieder mit nach Hause nehmen und bei deinem Nachbarn nachts im Garten verstreuen oder um dein eigenes Haus herum, je nachdem, was du dir gewünscht hast.“
Eines wird klar bei der Erzählung klar: Trau auf Sri Lanka nie deinem Nachbarn, wenn er eine Plastiktüte in der Hand hat.
Das ist doch mal ganz nah dran. Land und Religion als Spannungsmoment beschrieben. Klasse. Die Schreibweise über Sri Lanka ist erfrischend und macht neugierig. „Meine Sand würdef ich erst mal in Nachbar´s Garten ausprobieren. Danke Marion Schwartzkopff. Reiseführer des Herzens habe ich bereits bestellt! Andreas Rottmann
Herrlich, man hat die Situation förmlich vor Augen. …Sand haben wir am Rheinufer genug, wäre schön, wenn der alte Mann Kooperationspartner in der Region Rhein-Ruhr hätte. Mir fallen da ganz wunderbare Sachen ein ;-)
Martin Beckers
Sehr schöner Bericht, man spürt, dass er aus „erster Hand“ kommt, macht neugierig auf das Land. Mich würde interessieren, ob der Sand auch bei Schwiegermüttern wirkt. Freu mich schon auf einen nächsten Bericht.
Anita Krämer
Für mich war neu, dass Hinduismus und Buddismus auf der Insel so friedlich
nebeneinander praktiziert werden können, und dies an vielen Orten sogar unter einem Dach !
Und: So hat jede Kultur ihre ganz eigene Art, wie man beim Nächsten (unleidlichen)
„Sand ins Getriebe“ streut…. ;-)
oder andersherum – vergleichbar mit Salz und Pfeffer – wie dem eigenen Leben Würze, Geschmack und damit
Freude gegeben werden kann. Eine sehr nette Geschichte ! Wann gibt’s mehr zu lesen ?
Hallo,
danke für diesen tollen Urlaubsbericht. Da hat das Lesen wirklich sehr viel Spaß gemacht.
Grüße
Sven
Wenn Reiseberichte so fundiert und gleichzeitig so spritzig geschrieben sind, dann macht das Lesen wirklich Spaß. Ich freue mich auf den „Nachschub“.
also bei aller Begeisterung der Vorredner, muss auch mal ein kritischer Kommentar erlaubt sein. Also für mich ist das alles Hokus-Pokus und erinnert mich an meine Mutter, die mich als Kind schon immer abends mit der Androhung meiner Verschleppung durch die Abendmutter, die sich in der Dämmerung von irgendwo anschleicht, endlich ins Haus locken und meinen Freiheitsdrang bremsen wollte. Es allen Gottheiten gerecht zu machen und auf der anderen Seite sie für seine eigenen Zwecke zu nutzen macht unfrei und abhängig. Ich krieg da Beklemmungen. Obwohl die Buddhas auf dem Foto ja ganz sympathisch und ganz freizügig dargestellt sind, schöner als die fetten Kerle, die ich in japanische Tempeln begutachten konnte. Aber eins ist klar, Josef fährt weiter in die Toskana !