Schroffe Berge, hübsche Ortschaften und drei Seen, die angeblich aus Engelstränen entstanden sind: Das sind die offensichtlichsten Vorzüge der höchstgelegenen Region Europas. Was du ausser Skifahren sonst noch alles in Savoyen tun kannst, das verrate ich dir in diesem Artikel.
Wenn Du bekannte Namen hörst wie Chamonix, Mont Blanc oder ganz einfach „französische Alpen“, dann wird es dir vermutlich so gehen wie mir: Du denkst an den nächsten Ski-Urlaub. Das ist zwar nicht falsch. Doch die Region Savoyen hat auch in der schneefreien Jahreszeit einiges zu bieten. Ich war diesen Sommer drei Tage in der Region und möchte dir meine Highlights vorstellen.
Die Tipps sind in geographischer Reihenfolge – also so, dass du der Route folgen kannst und dabei eine schöne Rundreise machst. Sie entspricht jedoch nicht meinem eigenen Reiseverlauf. Evian besuchte ich sogar im Rahmen einer separaten Reise. Die zwei Stopps, die mich am stärksten beeindruckt haben, waren die Fahrt zum Gletscher (Tipp 1) und das Überqueren des 2770 Meter hohen Iseran-Pass (Tipp 3). Am wenigsten gefiel mir hingegen Aix-les-Bains (Tipp 4).
Tipp 1: Erkunde einen Gletscher von innen
Wolltest du schon immer einen Gletscher von innen sehen? Vermutlich nein, denn wahrscheinlich hast du noch nie gehört, dass das möglich ist. Im Mer de Glace oberhalb der kleinen französischen Stadt Chamonix können dies Besucher seit vielen Jahren tun. Jeden Sommer wird erneut ein vielleicht hundert Meter tiefer Stollen in das ewige Eis getrieben und mit zahlreichen Skulpturen und Einrichtungsgegenstände aus Eis verziert. Bunte Leuchtstoffröhren setzen die tiefgefrorene Szene ins richtige Licht. Das Ganze erinnerte mich ein wenig an das Eisfestival von Harbin in China, aber ist natürlich sehr viel kleiner.
Die Eishöhle ist nicht besonders gross und du hast problemlos alles in einer Viertelstunde gesehen. Trotzdem fand ich den Besuch ein spannendes Erlebnis – insbesondere, wenn ich mir vorstelle, dass der Gletscher langsam ins Tal fliesst, während ich auf einem Eisblock sitze. Und dies gar nicht so langsam: Immerhin 90 Meter sind es pro Jahr oder etwa ein Zentimeter pro Stunde. Deswegen lohnt es sich, auf dem Weg zum Höhleneingang Richtung Tal zu blicken: Mit etwas Glück kannst du dort nämlich noch die Reste der Eishöhle vom vergangenen Jahr sehen.
Von Chamonix fährt jede halbe Stunde eine Zahnradbahn in etwa 40 Minuten (den Fahrplan findest du hier) zur auf rund 2000 Metern gelegenen Bahnstation Montenvers hoch. Die Fahrt in beide Richtungen einschliesslich Eintritt in die Höhlen kostet 29,50 Euro pro Person und ist im Vergleich zur Schweizer Jungfraujochbahn ein wahres Schnäppchen.
Als die Montenvers-Bahnlinie vor über hundert Jahren angelegt wurde, befand sich der Gletscher noch gerade unterhalb des Bahnhofs. Inzwischen ist seine Mächtigkeit wegen der Erderwärmung so stark zurückgegangen, dass nun von der Zahnradbahn eine Seilbahn zum Gletscher führt.
Die kurze Seilbahn, die über die steile Moränenflanke in die Tiefe führt, ist somit auch ein trauriges Mahnmal für den Klimaschutz. Denn die in den 1960er-Jahren angelegten Gondeln bringen die Besucher längst nicht mehr direkt zum Gletscherrand. Von der Talstation zum ewigen Eis musst du noch etwa 300 Treppenstufen unter die Füsse nehmen – oder zum Zeitpunkt der Lektüre vielleicht auch schon ein bisschen mehr.
Tipp 2: Wirf einen Blick auf den höchsten Berg Europas
Wenn du schon in Chamonix bist, solltest du das Städtchen nicht verlassen, ohne den Mont Blanc richtig gesehen zu haben. Die vermutlich beste Aussicht auf den höchsten Berg Europas hast du von der anderen Seite des Tals.
Zum Beispiel vom 2525 Meter hohen Brévent, dessen Gipfel ausgesprochen leicht zu erreichen ist: Du fährst zunächst mit einer Gondelbahn zur Station Planpraz, wo du mit einer anderen, grösseren Luftseilbahn den Gipfel des Brévent erreichst.
Die schönsten Fotos machst du am späten Nachmittag, wenn die Sonne die weissen Gipfel in ein warmes Licht hüllt. Denk aber daran, dass die Seilbahnen relativ früh den Betrieb einstellen. Du solltest dich deswegen spätestens um 15 Uhr auf den Weg machen, um auf den Brévent zu fahren und dort auch etwas Zeit zum Geniessen der Aussicht zu haben.
Vom Brévent führt ein breiter Schotterweg zur etwa 500 Höhenmeter tiefer gelegenen Umsteigestation Planpraz, den du je nach Fitness in ein bis zwei Stunden abwandern kannst. Das lohnt sich, da der Weg sehr schöne Ausblicke auf die Bergwelt freigibt. Übrigens: Behinderte können hier Cimgos mieten und die Strecke auf speziellen geländegängigen Rollstühlen runterbrettern. Ich sah eine Gruppe, die dabei offenbar ziemlich viel Spass hatte und fragte mich, ob auch Nichtbehinderte diese Rollstühle mieten können…
Tipp 3: Überquere den höchsten Pass der Alpen
Die besten Orte findet man häufig, wenn man sich verfährt. So war das auch bei diesem Tipp. Eigentlich hatten wir eine ganz andere Route im Sinn, verpassten aber die einzige Abzweigung auf 50 Kilometer und landeten so auf einer Strasse, die ständig nach oben führte. Jedes Mal wenn du denkst, dass du die Passhöhere erreicht hast, geht es nach der nächsten Kurven noch einmal weiter nach oben. Der Col de l’Iseran ist die höchste Passstrasse der Alpen: Sie bringt dich auf immerhin 2715 Meter über Meer.
Wie schon im Artikel zu den italienischen Cinque Terre erwähnt, fahre ich sehr gerne auf etwas abenteuerlichen Strassen. Und ich war bei weitem nicht der einzige, dem es dieser Weg angetan hat. Am höchsten Punkt fanden sich jede Menge Motorrad- und Fahrradfahrer, die sich vor dem Schild ablichten liessen.
Die Strasse ist jedoch nicht der einzige Grund, diesen Umweg zu fahren. Die Route führt mitten durch den Vanoise Nationalpark und vorbei an einigen hübschen Ortschaften. Das bekannteste Städtchen an der Route ist vermutlich der Wintersportort Val d’Isère. Für Schneesportler müssen die zahlreichen Pisten das Paradies sein. Mir hat die Ortschaft nicht gefallen: Es wirkte zu bemüht, die extreme touristische Entwicklung mit dem Ortsbild in Einklang zu bringen.
Begeistert war ich hingegen von einer sehr viel kleineren Ortschaft auf der anderen Seite des Passes, die es leicht in meine Liste der schönsten Dörfer der Welt schaffen könnte: Bonneval-sur-Arc. Nicht einmal 250 Menschen leben in der kleinen Ortschaft mit den bezaubernden und authentisch wirkenden Steinhäusern. Schlendere einfach eine halbe Stunde durch die Gassen des Dorfes und kehre in einem der winzigen Restaurants ein. Zum Beispiel dem La Grappa, wo wir leckere Nutella-Crêpes probierten.
Tipp 4: Bade in den Schwefelbädern von Aix
Aix-les-Bains könnte man als Monaco der vorletzten Jahrhunderts bezeichnen. Die Liste der Schönen und Reichen, die in dem Städtchen ein- und ausgingen liest sich wie ein Who is Who einer vergangenen Epoche. Sie alle kamen um zu sehen und gesehen zu werden – und natürlich auch, um in den bekannten Schwefelbädern ihre Leiden zu lindern.
Der Glanz dieser Tage ist längst erloschen, doch die Bäder gibt es noch immer. Am bekanntesten ist vermutlich die Nationaltherme von Chevalley, der wir natürlich einen Besuch abgestattet haben. Am modernen und effizient geführten Bad gab es nichts zu bemängeln, doch fehlte es an Charakter. Die Therme könnte unverändert in jedem Teil der Welt stehen. Kurz: Wenn das Wetter schlecht ist, kannst du dir dort einen Zwischenstopp gönnen. Sonst ist es nicht unbedingt nötig.
Bei schönem Wetter empfehle ich eher den Lac du Bourget. Die Legende will, dass dieser See ebenso wie der noch zu erwähnende See von Annecy und der Genfersee durch Tränen dreier Engel gefüllt wurden, denen Gott befahl, das Gebiet zu verlassen.
Auf der gegenüberliegenden Seeseite befindet sich das Kloster Hautcombe. Hier liess sich einst die Familie des Herzogs von Savoyen begraben. Zur Abtei kommst du am besten per Boot. Zwar ist neben dem weitläufigen Parkgelände leider nur die Kirche öffentlich zugänglich, allerdings ist diese ausserordentlich schön verziert.
Tipp 5: Schlendere durch die Altstadt von Annecy
Annecy wird bisweilen wegen der drei Kanäle, die durch die Altstadt führen, als das Venedig der Alpen bezeichnet. Doch für welches Dorf mit mehr als zwei Wasserwegen musste die erhabene Lagunenstadt nicht schon hinhalten? Trotzdem: Die Hauptstadt des Departements Hochsavoien ist auf alle Fälle ein längerer Besuch wert. Wir verbrachten nur gerade zwei halbe Tage in dem wunderschönen Städtchen – und es hätte noch so viele Dinge zu sehen gegeben.
Da sitzt zum Beispiel auf einer kleinen Insel mitten in der Altstadt der Palais de l’Ile, das Wahrzeichen der Stadt. Einst war er Justizpalast und Gefängnis, heute beherbergen die alten Gemäuer ein Heimat- und ein Architekturmuseum. Nur wenige Meter davon entfernt thront mit dem Chateau d’Annecy ein zweiter Palast – ebenfalls ein Gebäude mit einer bizarren Geschichte.
Mehr zur Historie der Stadt erfährst du am besten auf einem Rundgang. Uns stellte das Fremdenverkehrsamt eine private Reiseführerin zur Seite, welche uns die komplizierte Geschichte der Stadt und der ganzen Region Savoyen kompetent näher brachte. Solche privaten Stadtrundgänge findest du beispielsweisweise bei Getyouguide.de*. Wenn dir das zu teuer ist, gibt es auch geführte Gruppentouren. Hier findest du eine Übersicht, zu welcher Zeit welche Tour stattfindet.
Tipp 6: Umrunde den saubersten See Europas per E-Bike
Die älteren Bewohner von Annency können sich noch daran erinnern, dass der Lac d’Annency einst eine schreckliche Drecksbrühe war. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die damalige Regierung die Zuleitung von Abwässern zu verbieten und nach und nach die schmutzigen Kanalisationsrohre zu versiegeln.
Das Resultat kann sich sehen lassen: Der heute nur von Bächen mit Wasser in Trinkwasserqualität gespiesene Lac d’Annecy gilt als sauberster See Europas. Ob das stimmt, kann ich zwar nicht beurteilen, aber es ist schon eindrücklich wie klar das Wasser aussieht und wie weit man den Grund noch erkennen kann.
Eine grandiose Art, den Lac d’Annency zu erkunden, ist ein E-Bike, das du bei Pedale Douce (Frage beim benachbarten Touristenbüro nach dem Weg) für 9 Euro für zwei Stunden bekommst – wenn du keine lange Pausen machst und zügig fährst, solltest du in dieser Zeit den 31 Kilometer langen Radrundweg knapp schaffen. Achtung: Die Radwege an der Ostküste sind besser ausgebaut. Im Westen musst du stellenweise auf der Strasse fahren, was natürlich etwas länger dauert.
Das war das erste Mal, dass ich ein Fahrrad benutzte, welches die Tretleistung mit einem Elektromotor verstärkte. Daran musste ich mich zuerst etwas gewöhnen, fand es aber nach ein paar Minuten grandios. Nur schade, dass die Höchstgeschwindigkeit gedeckelt war: willst du schnell als etwa 15 Stundenkilometer fahren, geht das nur mit der eigenen Muskelkraft.
Tipp 7: Trink das weltbekannte Wasser aus dem Hahn
Es ist witzig: Als ich noch in China lebte, kostete eine Flasche Evian Wasser ziemlich genau fünf Mal mehr als ein gleich grosses Fläschchen Cola. In der kleinen Stadt Evian am Genfersee bekommst du es gratis: Du brauchst nur einen Wasserhahn aufzumachen.
In Evian dreht sich alles ums Wasser: Du kannst mitten im alten Dorf die Cachat-Quelle finden, wo die Erfolgsgeschichte des Getränks seinen Anfang nahm. Gerade gegenüber stehen noch die alten Abfüllhallen. Leider ist das verwunschene Jugendstil-Gebäude heute etwas verwahrlost. Ebenfalls möglich ist eine Besichtigung der modernen Abfüllwerke.
Evian ist mit seinen 8000 Einwohnern mehr Dorf als Stadt. Du hast schnell alles gesehen: Neben einem kurzen Spaziergang durch den historischen Kern (im Wesentlichen eine einzige Strasse) lohnt es sich auch, etwas an der Uferpromenade des Genfersees entlang zu strollen.
Noch ein kleiner Tipp in eigener Sache: Nur wenige Kilometer von Evian vermieten meine Eltern wochenweise ihr Ferienhaus. Es liegt auf der Schweizer Seite in einer kleinen Gemeinde namens Le Bouveret, direkt am Genfersee liegt. Buchen kannst du es entweder hier über Airbnb oder direkt bei uns.
Fazit: Lohnt sich Savoyen im Sommer?
Als Schweizer war ich relativ oft im angrenzenden Wallis und ich kenne auch die Genferseeregion recht gut. Bisher hatte ich mir jedoch nie die Mühe genommen, die Region hinter der Grenze etwas genauer zu erkunden. Zu Unrecht: Die beiden französischen Departements Savoie und Haute-Savoie haben auch immer Sommer sehr viel zu bieten.
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Hi Oliver,
ein paar schöne Tipps dabei. Vielleicht lässt sich in den nächsten Tagen was davon umsetzen.
Annecy ist da aktuell mein Favorit. Danke für die „untypische“ Liste :)
Patrick
Hallo Patrick,
ja, Annecy ist wirklich sehr schön. Ich wünsch dir viel Spass auf deinem Trip.
Gruss,
Oliver
Toll geschrieben und ein paar sehr gute Tipps dabei. Wir sind im Sommer auch dort und Dein Beitrag hat uns geholfen :-) Danke
Hallo,
Danke für den Artikel, hat mir gut gefallen.
Nur eine kleine Korrektur: der Col de l’Iseran ist 2764m hoch. Es ist der Col de la Bonette, der 2715m hoch ist ;-)
Gruss
Hallo Vero,
Ich habe gerade auf den alten Bildern nachgeschaut und meine Angabe scheint tatsächlich falsch zu sein. Allerdings ist der Col de l’Iseran laut den Angaben auf dem Pass (habe damals ein Foto von der Tafel am Strassenrand gemacht) sogar 2770 Meter hoch. So oder so: Ich korrigiere das gleich und bedanke mich für den Hinweis.
Liebe Grüsse,
Oli