Putrajaya: Rückkehr in die malaysische Retortenstadt

Der boomende Schwellenstaat Malaysia sollte einst weit über die Landesgrenzen hinaus strahlen. Während man in Kuala Lumpur mit den Petrona Towers das damals höchste Gebäude erbaute, entstand auf halben Weg zum Flughafen eine neue Hauptstadt: Putrajaya. Ein lohnenswerter Besuch in einer etwas missglückten Retortenstadt.

In jeder Kurve muss ich mich am Vordersitz festkrallen. Wenn nicht, würde ich unweigerlich vom Plastiksitz rutschen. Ich schaue nach vorne. Schon steht die nächste Richtungsänderung an. Der indische Busfahrer schaltet den Blinker ein und rast auf die Kreuzung zu. Die Ampel wird Orange, dann rot. Doch der Chauffeur zupft sich nur gleichgültig am Schnauz und fährt weiter. Er weiss: Die Strassen sind hier genau so leer wie der Bus, den er fährt.

Der öffentliche Verkehr in Putrajaya ist mehr als bloss eine Möglichkeit, sich fortzubewegen. Er ist ein Sinnbild für das Wesen dieser bizarren Retortenstadt, die 1995 etwa 25 Kilometer südlich von Kuala Lumpur entstanden ist, um die Regierung und ausländische Botschaften aufzunehmen. Die Botschaften bevorzugten es jedoch, in Kuala Lumpur zu bleiben und auch die Staatsdiener pendelten lieber, als dass sie sich in der leeren Stadt niedergelassen hätten. Die Planer rechneten einst mit rund 300.000 Stadtbewohner. Bei der letzten Volkszählung vor drei Jahren hatten sich jedoch gerade erst 67.000 Menschen in Putrajaya niedergelassen. So verwundert es kaum, dass die Monorail, die einmal den Schnellbahnhof mit dem Zentrum verbinden sollte, nie fertig gestellt wurde. Die Schienen brechen nach etwa hundert Metern abrupt ab. Die Passagiere fehlten.

Das Finanzministerium: Traditionelle islamische Elemente in einer modernen Architektur.
Das Finanzministerium: Traditionelle islamische Elemente in einer modernen Architektur.

Putrajaya ist ein nationales Prestigeobjekt. Und so kommt es, dass in Malaysia wohl keine zweite Stadt über ein ähnlich dicht gestricktes Busnetz verfügt. Als ich Putrajaya vor bald zehn Jahren schon einmal besuchte, war es noch nahezu unmöglich, sich ohne eigenes Fahrzeug fortzubewegen. Noch immer ist es schwierig, sich ohne eigene vier Räder zurecht zu finden: Die Busstationen haben zwar alle einen Namen, doch ist der nirgendwo angeschrieben, noch gibt es an den Stationen noch im Bus selber einen Streckenplan. Auch hier scheint die Planung irgendwo auf halben Weg stecken geblieben zu sein. Immerhin sprechen alle Busfahrer gut Englisch und es ist möglich, sich durchzufragen.

Schön, aber leer

Städteplanung funktioniert selten. Und auch Putrajaya ist ganz offensichtlich an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigeplant worden. Dass die Stadt jedoch auch nach so langer Zeit kaum lebt, ist trotzdem überraschend. Die Lebensqualität ist hier nämlich vergleichsweise hoch: Die Wohnungen sind in der Regel gross und trotzdem erschwinglich. Die zahlreichen künstlich angelegten Seen erschweren zwar die Fortbewegung, sorgen jedoch auch für ein angenehmeres Klima als in der nahegelegenen Metropole. Und zahlreiche Gartenanlagen und Parks bieten reichhaltige Naherholungszonen.

Leere Strassen: Auch 18 Jahre nach der Gründung gibt es auf der Strasse zum Palast des Ministerpräsidenten kaum Verkehr.
Leere Strassen: Auch 18 Jahre nach der Gründung gibt es auf der Strasse zum Palast des Ministerpräsidenten kaum Verkehr.

Auch Touristen finden selten den Weg nach Putrajaya, was eigentlich schade ist. Denn wer sich für Architektur interessiert, kommt in der Stadt auf seine Kosten. Bisweilen werden die breiten Boulevars und die prunkvolle-klotzigen Gebäude als eine Art Neo-Stalinismus verschrien. Doch ich sehe darin vielmehr eine interessante Verschmelzung zwischen moderner Architektur und islamischem Baustil.

Teilweise wurden die traditionellen Elemente für meinen Geschmack zu stark aufgenommen wie zum Beispiel beim Justizpalast, der unverändert auch irgendwo auf der arabischen Halbinsel oder in Indien stehen könnte. Geschickter wurden die Baustile etwa beim hochmodernen Finanzministerium verschmolzen, wo die Fassade über eine orientalisch wirkende Struktur verfügt. Ebenfalls sehr eindrücklich fand ich die Eisen-Moschee.

Für Fussgänger wenig geeignet

Ich habe einen gewöhnlichen Bus ins Stadtzentrum genommen und mir anschliessend alles zu Fuss angesehen. Das ist möglich, aber nicht unbedingt empfehlenswert. Die Distanzen zwischen den überdimensionierten Gebäuden sind nämlich riesig und das feuchheisse Klima verlangt auch seinen Tribut. Vor allem bei kleinen Gruppen kann es sich deshalb lohnen, ein Taxi oder gar ein Auto zu mieten. Auf diese Weise ist möglich, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in etwa zwei Stunden abzuklappern. Ich war fast den ganzen Tag unterwegs.

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