Pro und Contra: Lohnt sich ein Besuch von Pamukkale?

Pamukkale ist umstritten: Die einen sehen das Reiseziel in der Türkei als Sinnbild für alles, was im Tourismus schief läuft. Andere heben die Fortschritte bei der Erhaltung des Naturwunders hervor. Auch ich bin hin- und hergerissen. Deswegen präsentiere ich heute neben einem Reisebericht auch ein Pro und Contra.

Es ist ein ungewohnter Anblick: Ich stehe vor einem Hang, der aussieht, als wollte die Frühlingssonne gerade das letzte Eis wegschmelzen. Zwischen den gleissenden Schneefeldern fliesst Wasser. Die Eiszapfen an den Wänden tropfen. Und dann fällt mein Blick auf zwei Frauen, die im Bikini für ein Foto posieren. Während ich noch darüber nachdenke, wie surreal alles aussieht, fordert mich ein Sicherheitsbeamter auf, die Schuhe auszuziehen.

Ich stehe am Eingang zu der bizarren Wunderwelt von Pamukkale. Von dieser Natursehenswürdigkeit habe ich viel gehört und gelesen. Noch häufiger habe ich die atemberaubenden Fotos vom Sonnenuntergang gesehen. Zusammen mit den Heissluftbalons über Kappadokien gehören die weissen Becken wohl zu den bekanntesten Bildern der Türkei. Doch während bei Kappadokien die meisten ins Schwärmen geraten, fallen die Reaktionen bei Pamukkale sehr unterschiedlich aus.

Geschichte einer Umweltsünde

Vor allem ältere Besucher äussern sich häufig negativ. Das ist kein Zufall. In den Anfängen des Tourismus wollte jeder von den Besucherströmen profitieren. Auf der Ebene oberhalb der Travertinbecken wurden mehrere Hotels errichtet. Diese leiteten das warme Wasser in die Pools der Hotels um und führten das verschmutzte Badewasser über die Terrassen ab. Damit nicht genug: Mitten durch die einzigartige Landschaft wurde eine Strasse gebaut.

Diese Sorglosigkeit rächte sich bald. Die einst weissen Becken färbten sich jedes Jahr etwas grauer; das nunmehr kühle Wasser lagerte keinen Kalk mehr ab, der die verschmutzten Stellen hätte überlagern können. Umweltschützer schlugen Alarm und die Unesco drohte damit, den Status des Weltnaturerbes abzuerkennen. So weit kam es zum Glück nicht.

Seit etwa 20 Jahren dürfen Besucher nicht mehr wild baden. Wichtiger noch ist jedoch, dass die Ferienresorts oberhalb der Becken ausnahmslos abgerissen wurden. Die Strasse – das vermutlich grösste Verbrechen jener Periode – wurde ebenfalls gesperrt und mit kleinen Becken bebaut, die dem ursprünglichen Aussehen glichen und die inzwischen ebenfalls mit Kalk überzogen sind.

Heute ist die Landschaft wieder leuchtend weiss. Doch wer genau hinschaut, sieht die Spuren der Vergangenheit noch immer.

Die Besichtigung der Kalksinterrassen folgt der alten Strasse.
Die Besichtigung der Kalksinterrassen folgt entlang der alten Strasse.
Das Wasser reicht nicht mehr für alle Becken.
Das Wasser reicht nicht mehr für alle Becken.

Kratzen an den Fusssohlen

Ich stehe also auf ein paar Brettern, wo ich mir die Schuhe ausziehen muss.  Vor mir der weisse Weg, über den das Wasser fliesst. Ich bin gespannt, wie sich das anfühlt. Ist das Wasser warm? Ist der Boden rutschig oder scharf wie Korallen. Soll ich die Socken lieber anbehalten? Die Antwort: vier Mal nein. Die Oberfläche ist angenehm glatt. Nur manchmal kratzt es an der Fusssohle.

Auf dem Weg nach oben komme ich an zahlreichen Becken vorbei, in denen Touristen planschen. Auch hier ist das Wasser nicht auffallend warm. Die Becken sind nicht besonders tief. Meistens reicht das Wasser nur bis zu den Knien, in seltenen Fällen bis zum Bauchnabel. Es muss schön sein, im Licht des Vollmonds hier zu baden.

Die alte Bäderstadt Hieropolis

Nach etwa einer halben Stunde stehe ich auf einer Ebene oberhalb der Kalkbecken, für die Pamukkale bekannt ist. Hier befindet sich die antike griechische Stadt Hieropolis, die mindestens genauso sehenswert ist.

In der antiken Wellness-Oase findest du ein sehr gut erhaltenes Odeon (Theater), den zentralen Marktplatz Agora, jede Menge Gräber und Bäder. Die Grösse der Ruinenstadt ist beeindruckend: Vom einen zum anderen Ende bist du zu Fuss locker zwei Stunden unterwegs – und das ohne etwas genauer anzusehen.

Auf dem Gelände findest du zudem ein Museum und ein aussergewöhnliches Bad, wo du in einem Pool über antike Säulen schwimmen kannst. Dieser Antique Pool ist übrigens der Rest vom abgerissenen Pamukkale Motel. Den Eintritt brauchst du nur zu bezahlen, wenn du wirklich baden gehen willst. Das Café neben dem eigentlichen Pool kannst du kostenlos betreten. Wirf also ein Blick auf den Pool.

Das Odeon der antiken Stadt Hieropolis.
Das Odeon der antiken Stadt Hieropolis.
Die archäologische Zone von Hieropolis ist riesig, doch nicht alles gleich ansehlich.
Die archäologische Zone von Hieropolis ist riesig, doch nicht alles gleich ansehnlich.

Pro und Contra: Lohnt sich Pamukkale?

Ich habe Pamukkale in diesem Herbst auf meiner grossen Türkeireise zwei ganze Tage lang besucht. Dabei verbrachte ich einen Tag bei den Travertinbecken und spazierte durch die Ruinenstadt Hieropolis. Am anderen Tag unternahm ich Ausflüge in die nähere Umgebung. Hier also das versprochene Pro und Contra:

Wieso du Pamukkale besser meidest:

  • Pamukkale ist überlaufen: Ich war im Oktober in der Türkei unterwegs – also bereits während der Nachsaison. Trotzdem war die Hauptsehenswürdigkeit derart voll, dass ich auf den teilweise engen Pfaden immer wieder wegen Leuten warten musste, die mir entgegenkamen. Ich möchte nicht wissen, wie das im August aussieht.
  • Nur ein kleiner Teil ist zugänglich: Um die Landschaft zu schützen, darf man sich heute nur noch auf einem klar gekennzeichneten Weg bewegen. Das heisst, die Bilder, die du vermutlich vor Augen hast, darfst du so gar nicht mehr selber machen. Wachen mit Trillerpfeifen sorgen dafür, dass niemand den Trampelpfad verlässt. Auch wenn ich die Notwendigkeit dieser Verbote einsehe, geht dadurch trotzdem ein grosser Teil des Spasses verloren.
  • Der zugängliche Teil ist eine Fälschung: Die Becken, in denen Touristen heute noch baden dürfen, sind nicht echt, sondern Betonkonstruktionen, die auf einer ehemalige Strasse gebaut wurden. Zwar sind auch diese Becken inzwischen weiss und von den echten nicht aus Anhieb zu unterscheiden. Aber wenn man weiss, wie sie entstanden sind, macht das Baden weniger Spass.
  • Viele Becken sind leer: Ich weiss nicht, ob es immer so ist. Aber bei meinem Besuch war ein beträchtlicher Teil der echten Becken ohne Wasser. Vielleicht ist das in anderen Jahreszeiten schöner.

Wieso sich ein Besuch von Pamukkale trotzdem lohnt:

  • Pamukkale ist wunderschön: Die weissen Becken sind zwar nicht einzigartig. Ähnliche Travertinbecken findest du im Yellowstone-Nationalpark (Mamouth Hotspring) oder im chinesischen Huanglong-Nationalpark. Aber das schmälert natürlich die Schönheit dieser aussergewöhnlichen Landschaft nicht.
  • Die Umweltsituation ist wieder akzeptabel: Die Becken sind wieder blendend weiss. Die Schutzmassnahmen haben viel bewirkt und man muss sich bei einem Besuch nicht mehr wie ein Umweltsünder vorkommen – auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass die vielen Besucher nicht doch irgendwie schaden.
  • Über Pamukkale liegt Hieropolis: Selbst wenn dich die Becken (unverständlicherweise) nicht begeistern, findest du gleich oberhalb davon die antike Ruinenstadt Hieropolis – einst ein wichtiges Spa-Zentrum der alten Welt. Natürlich findest du in der Türkei auch anderswo grandiose Ruinenstädte. Doch nirgendwo sonst bekommst du ein so tolles Kombipack.
  • Weitere Sehenswürdigkeiten in der Gegend: In der näheren Umgebung von Pamukkale gibt es viel zu sehen und zu entdecken. Während die Becken von Tagestouristen überlaufen sind, findest du in einer Distanz von weniger als eine Stunde eine Reihe von „Geheimtipps“.
  • Pamukkale ist gut erschlossen: Pamukkale liegt etwa vier Busstunden von Fethiye entfernt und lässt sich auch ab vielen anderen Orten an der Lykischen Küste erreichen. Da Pamukkale offenbar bei asiatischen Backpackern sehr beliebt ist, gibt es im Ort eine abwechslungsreiche und internationale Küche. Nach ein paar Wochen Gözleme weisst du das zu schätzen. :)
  • Oliver von Woanderssein.com schrieb über seinen Besuch vor drei Jahren: Absolut sehenswert und sollte bei keinem Türkei-Urlaub fehlen.
  • Daniel von Reisememo.ch kommt enttäuscht zum Schluss, dass er den Ort nicht besucht hätte, wenn er gewusst hätte, was ihn erwartet.
  • Luisa von sunnyside2go.de besuchte Pamukkalr als Tagesausflug von Kusadasi aus. Während ihr die Sehenswürdigkeit gefielen, war sie mit der angebotenen Tour nicht zufrieden.
Kurz vor Sonnenuntergang wird es letwas leerer.
Kurz vor Sonnenuntergang wird es etwas leerer.
Pamukkale unter der Erde: Die Höhle Kaklık Mağarası .
Pamukkale unter der Erde: Die Höhle Kaklık Mağarası .

Die wichtigsten Fragen zu Pamukkale

  • Wie viel Zeit muss ich für Pamukkale einplanen? – Ich war zwei Tage und zwei Nächte dort. In der Gegend gibt es aber genug zu sehen, um einen dritten oder gar vierten Tag zu füllen. Selbst wenn dich nur die Kalksteinterrassen und Hieropolis interessieren, solltest du für deinen Besuch einen ganzen Tag einplanen.
  • Was gibt es in der Nähe sonst noch zu sehen? – Wenn du nicht genügend Becken gesehen hast, solltest du einen Besuch von Kırmızı su und Kaklık Mağarası erwägen. Ersteres in ein kleineres Pamukkale, das nicht weiss, sondern in allen Regenbogenfarben leuchtet. Zweiteres ist ein Art Pamukkale in der Höhle. Beide Orte waren bei meinem Besuch fast menschenleer. Ausserdem gibt es in der Nähe noch eine alte Karawanserei und eine weitere antike Stadt.
  • Kann ich Pamukkale als Tagesausflug ab Antalya besuchen? Die Entfernung zwischen Antalya und Pamukkale beträgt etwa 235 Kilometer. Ab verschiedenen Badeorten an der Lykischen Küste werden ein- und zweitägige Touren angeboten. Ich würde auf alle Fälle empfehlen, in Pamukkale zu übernachten, da du dann den grössten Besucherströmen entkommst. Allenfalls kannst den Ort auch mit einer Mietwagentour an der Lykischen Küste verbinden. Siehe dazu hier.
  • Muss ich Hotels für Pamukkale vorbuchen? – Bei meinem Besuch Anfang Oktober waren die Unterkünfte weitgehend leer. Da viele Besucher den Ort als Tagesausflug besuchen, kann ich mir vorstellen, dass die Auslastung auch während der Hochsaison nicht sehr hoch und eine vorgängige Reservation nicht nötig ist. Falls du dich unsicher fühlst, solltest du hier meine Tipps zum Buchen von Hotels lesen. Ich habe keine besonderen Hotelempfehlungen.
  • Darf man in Pamukkale baden? Die Antwort ist ein klares Jein. Die natürlichen Kalksteinbecken dürfen nicht betreten werden. Doch in den künstlichen Becken, die sich optisch kaum unterscheiden, darf man im angenehm warmen Wasser ein Bad nehmen. Ausserdem gibt es direkt oberhalb von Pamukkale ein sehr schönes Bad, wo man in Tempelruinen schwimmt.
  • Wieviel kostet der Pamukkale Eintritt? Angesichts der hohen Inflation sind die Eintrittspreise stetigen Anpassungen unterworfen. Im Spätherbst 2023 bei der letzten Aktualisierung dieses Artikels kostete der Eintritt für Pamukkale 700 Lira. Das sind ungefähr 20 Euro.
  • Weitere Tipps: Noch mehr Tipps rund ums Reisen in der Türkei findest du in meinem Backpacking Guide für die Türkei.

Fazit

Lohnt sich ein Besuch von Pamukkale? Die Antwort fällt mir nicht so leicht. Ich hatte etwas mehr erwartet und war vor allem davon enttäuscht, dass viele Becken nicht mit Wasser gefüllt waren. Doch wenn ich nun, ein paar Wochen später, die Bilder anschaue und mich an den Ort erinnere, überragen für mich die schönen Erinnerungen.

Anders formuliert: Wenn du bei deiner Reise ohnehin in der Gegend bist (zum Beispiel auf dem Weg von Ephesus nach Fethiye), dann solltest du hier unbedingt einen oder besser zwei Tage bleiben. Stundenlange Umwege würde ich aber deswegen nicht zurücklegen.

Beitragshistorie: Der Artikel entstand ursprünglich 2015 und wurde im Herbst 2023 gründlich aktualisiert.

Hinweis: Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung des türkischen Fremdenverkehrsamt, das den Flug in die Türkei zur Verfügung stellte. Finde weitere Inspirationen auf deren Facebook– oder Instagram-Seite.

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13 Kommentare

    1. Ja, das Verbot wurde vor etwa 20 Jahren ausgesprochen. Du warst also noch im „alten“ Pamukkale. Damals bist du vermutlich auch auf der Strasse hochgefahren, die mitten durch das heutige Schutzgebiet geht. Erinnerst du dich an den Zustand von damals? Ich habe überall gelesen, dass die Becken ganz grau geworden sind. Erkennst du einen Unterschied, wenn du die neuen Fotos anschaust?

      1. Tja, was soll ich dazu sagen, ich war 1974 das erste Mal dort, wir konnten noch in den umliegenden „Bungalows“ wohnen.
        Nachts noch im Pool gesessen, der Nachtwächter schob ein Tablett nach dem anderen übers Wasser. Wir waren nur 5 Gäste dort. 1978 waren wir nochmal da, 4 Gäste.
        Dann 1986 nochmal. Da sind wir von der Reisegruppe geflüchtet, nur um nochmal dort zu baden, niemand anderes da.
        Wenn ich mir heute Videos von dort ansehe, könnte ich nur flüchten, Massen über Massen.
        Riesenfutterstelle mit Pommes&Co. 40 Leute im Pool. Tödlich. Mich kriegt da keiner mehr hin.
        Es sind nicht nur die Touris, sondern wohl eher die Investoren, wodurch das Alles kaputt ging.
        Zugegeben, dass die Strasse,auf der man mit dem Dolmusch bis dorthin kam, weg ist und auch neue Betonterassen dazu gebaut wurden waren schon richtig.
        Aber: überlaufen ist eben überlaufen. 1974 kannte das kaum jemand, wohl noch nicht mal die Türken selbst. Schade drum……

  1. Hallo Oliver,
    ein sehr interessanter Beitrag! Dass dort einige Becken gefälscht sind wusste ich bislang noch gar nicht!

    Die Sache mit der Umweltsitutation habe ich erst während der Tour erfahren. Da hat man dann doch kurzzeitig ein schlechtes Gewissen… Glücklicherweise konnte sich dieser schöne Ort ein wenig vom Tourismus erholen!

    Vielen Dank übrigens, dass du meinen Beitrag erwähnt hast :)

    Liebe Grüße,
    Luisa

    1. Hallo Luisa,
      gern geschehen. Ich fand deinen Artikel interessant und er ist auch aus einer anderen Perspektive verfasst als der von mir. Insofern ist er für Leser, die sich Gedanken zu Pamukkala als Reiseziel machen, eine wertvolle Ergänzung. :)
      Liebe Grüsse,
      Oli

  2. Es ist doch immer wieder schön zu sehen, wie sich die Natur erholen kann, wenn die Menschen sich ein bisschen zusammenreißen.
    Ich finde die Landschaft auf Fotos immer wunderschön und würde es trotz Nachteilen gerne mal besuchen.

  3. Diese Berichte sind außergewöhnlich gut!
    Hoffentlich nehmen nicht zu viele Menschen die Reisen wahr, damit die Charakteristik nicht durch überschäumenden Tourismus leidet.
    Andererseits leben die paar Einheimischen von den Erträgen aus dem Tourismus.

    Schade, daß man nicht die ganze Welt bereisen kann! Aber hier sind wirkliche Tips!

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