Technik und Reisen: Machen uns Handy und Co. einsam?

Die digitale Revolution hat das Reisen in den letzten 20 Jahren massiv verändert. Durch Smartphones ist vieles bequemer geworden, aber es sind auch gravierende Nachteile entstanden. Ein paar Gedanken darüber, ob wir dem analogen Zeitalter nachtrauern müssen, und ein vielleicht überraschender Befund.

Es ist ein seltsamer Anblick. Weil die Zimmer im Hostel von Yogyakarta über kein Wifi verfügen, ist die Lobby voll mit jungen Backpackern, die auf ihren Bildschirm starren. Neben mir lädt eine Rothaarige mit Sommersprossen gerade Selfies auf Instagram hoch, auf der anderen Seite sitzt ein Nordeuropäer mit beeindruckendem Bizeps und bucht sich die nächste Unterkunft.

Es ist still. Nur das Klicken der Tasten ist zu hören – und in der Ferne ein Gespräch an der Rezeption. Ich sitze in einer Ecke auf dem Sofa. Der Laptop liegt ausgeschaltet neben mir. Ich versuche mit anderen Gästen Blickkontakt aufzunehmen und jemanden zu finden, der mit mir Abendessen gehen will. Niemand schaut zurück. Nach ein paar Minuten gebe ich auf und chatte eine Bekanntschaft aus dem letzten Guesthouse an.

Es ist nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet die moderne Kommunikationstechnik dazu beiträgt, dass eine lebensnahe Kommunikation erschwert wird. Kein Wunder treffe ich immer häufiger auf Reisende, die genau dieses Phänomen beklagen und es als eine „um sich greifende Digitaliritis“ pathologisieren, freilich ohne sich selber diesem Befund vollkommen entziehen zu können.

Technologiekritik ist weit verbreitet, auch unter Reisenden. Die implizite Aussage: Früher war alles besser. Doch ist das wirklich so? Zerstört die digitale Revolution tatsächlich das Reiseerlebnis und macht uns unterwegs einsamer oder verklären wir einfach unsere analoge Vergangenheit? Das ist die Frage, der ich in diesem Artikel nachgehen will.

 

Reisen im Wandel der Zeit

Es lässt sich nicht bestreiten: Die Art, wie wir reisen, hat sich in den letzten 20 Jahren auf dramatische Weise verändert. Vor der ersten Backpackerreise durch Südamerika überlegte ich tagelang hin und her, ob ich den alten Walkman und die drei Mix-Tapes mitnehmen soll. Ich entschied mich schliesslich, ohne ein einziges elektronisches Gerät ins Flugzeug zu steigen. Mein wichtigster Grund: Ich wollte nicht mit meinen Kopfhörern symbolisieren, dass ich keinen Kontakt möchte.

Mittlerweile ist moderne Elektronik kaum noch aus dem Reisealltag wegzudenken. Auf den letzten Trips hatte ich einen zweiten Rucksack dabei voller Geräte: Handy, Kamera, Laptop und ein MP3-Spieler mit mehreren tausend Liedern sowie einen Bluetooth-Lautsprecher. Sobald ich lande, schalte ich das MiFi an und habe funktionierendes Internet noch bevor die Anschnallzeichen erloschen sind.

Viele dieser kleinen Helferchen sind unglaublich praktisch. Und doch ist es erstaunlicherweise gerade der Alleskönner Handy, der am heftigsten polarisiert. Wir sehen – wie im oben genannten Beispiel – Leute  im Hostel, die lieber chatten als mit anderen Touristen zu reden, oder wir sehen jemanden, der über den Bildschirm geneigt über den Zebrasteifen geht und schon glauben wir zu erkennen, dass unsere Gesellschaft krank ist.

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Ein Selfie geht immer…

 

Das Handy als Feindbild

Was wir dabei leicht vergessen: Das Handy ist ein Gerät, das zahlreiche Funktionen in sich vereint. Früher klebten wir Fotos in ein Album ein, heute laden wir sie hoch. Während wir einst die Route mühsam auf Papierlandkarten recherchierten, geht das nun per Knopfdruck und GPS-Unterstützung. Textnachrichten haben Postkarten ersetzt. Wecker, Taschenlampe und Taschenrechner nimmt längst niemand mehr mit. Das ist nicht besser oder schlechter, sondern das Gleiche in neuem Gewand.

Das ist auch der Grund, wieso sich bei näherem Hinsehen gar nicht so viel verändert hat, wie wir manchmal glauben. Was haben die Leute im Zug gemacht, als es noch keine Handys gab? Richtig, sie lasen ein Buch oder eine Zeitung. Vielleicht hörten sie auf dem Walkman eine Kassette (und spulten sie anschliessend mit dem Bleistift zurück). Ist man dadurch mit den Leuten leichter in Kontakt geraten als heute? Ich wage das zu bezweifeln.

Das gleiche Bild zeigt sich in den Hostels. In der Lobby waren immer ein paar Leute mit einem Stift in der Hand, die ihr Tagebuch auf den aktuellen Stand brachten, andere recherchierten im Reiseführer nach Ideen für den nächsten Tag. Alles schön analog, aber kein bisschen kommunikativer. Und natürlich gab es schon immer die Pärchen, die irgendwo abseits sassen und deren Körpersprache deutlich ausdrückte: „Sprecht uns bloss nicht an!“

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Ein Handy vereint heute locker die Funktionen von zehn Geräten.

 

Technik verändert die Kommunikation

Und wenn wir bisweilen angesichts der sozialen Abstinenz in der Lobby den Kopf schütteln, dann dürfen wir nicht vergessen, dass es gerade die stärkere Vernetzung ist, die auch eine gegenläufige Entwicklung erlaubt. Heute gibt es von Couchsurfing bis Tinder ein gewaltiges Spektrum an Dienstleistungen, die uns dabei helfen, Kontakte zu finden. Klar, geht das auch in der Dorfkneipe. Aber das liegt nicht jedem gleichermassen.

Auch ist es heute viel leichter, mit anderen Reisenden in Kontakt zu bleiben. Da ich auf meiner ersten Reise noch keine Email hatte, war es ein riskantes Unterfangen, sich für ein paar Tage von seinen Mitreisenden zu trennen. Wir hatten keine andere Möglichkeit, als uns an einem bestimmten Tag um Punkt 12 Uhr „in der Südwestecke des Hauptplatzes“ zu treffen. Oft hat das geklappt, aber längst nicht immer.

Seit kurzem habe ich zudem einen elektronischen Sprachübersetzer, bei dem ich auf der einen Seite einen deutschen Satz einspreche, der dann auf der anderen Seite in der Lokalsprache rauskommt. Noch fühlt sich das etwas seltsam an, aber es funktioniert gut und ermöglicht im Gegensatz zum Gebrauch von Phrase Books durchaus echte Gespräche.

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Gar nicht so leicht: Gesprächspartner an einem fast menschenleeren Strand zu finden.

 

Die Spontanität leidet

Das Problem sehe ich an einem ganz anderen und vielleicht unerwarteten Ort. Als ich vor 20 Jahren das erste Mal mit dem Rucksack durch Südamerika trampte, war es Gang und Gäbe, an der Rezeption nach freien Zimmern zu fragen und sie sich vor der Buchung kurz anzusehen. Manchmal war ein Etablissement voll, aber meistens klappte das ganz gut.

Wenn ich heute ohne Reservation an einer Rezeption komme, ernte ich schräge Blicke. Den Buchungsportalen ist es dank der starken Verbreitung von Smartphone nicht nur mit grossem Erfolg gelungen, allen einzureden, dass Reservationen schon fast zwingend notwendig sind, um nicht auf der Strasse zu landen, sondern auch, dass sie bei frühzeitiger Buchung viel Geld sparen können.

Selbstverständlich ist es bequem, wenn man nicht mit dem ganzen Gepäck auf der Schulter durch die Stadt irren muss. Aber die Buchungsportale zerstören unsere Spontanität. Wenn ich früher auf spannende Mitreisende stiess, haben wir uns oft entschieden, ein paar Tage gemeinsam weiterzureisen. Ich weiss nicht mehr, wann das das letzte Mal klappte. Seit selber Langzeitreisende ihre Routen immer strenger durchplanen, ist es zu einem immensen Aufwand geworden, ein Tag länger an einem Ort zu bleiben.

Und das Phänomen betrifft bei weitem nicht nur Unterkünfte. Billigflüge sind nur dann günstig, wenn man sie früh bucht. Doch was gut für die Reisekasse ist, zerreisst eine Reise in kleine und vollkommen unflexible Stücke. Seit auch immer mehr Eisenbahn- und Fernbusbetreiber versuchen, ihre Kunden mit Rabatte zum frühzeitigen Buchen zu bewegen, sinkt die Möglichkeit noch weiter, sich mit Reisebekanntschaften zusammenzuschliessen. Wenn durch die Digitalisierung eine Vereinsamung der Reisenden droht, dann in erster Linie deswegen, weil wir immer schlechter auf die Situation reagieren können.

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Van-Life boomt, weil das Reisen in Europa immer stärker rationalisiert wird.

 

Was können wir tun?

Die Welt vernetzt sich zunehmend und gegen die digitale Revolution kommen wir nicht an, indem wir moderne Technik verweigern oder vergangene Zeiten verklären, die letztlich vielleicht gar nicht so rosig waren wie in unserer Erinnerungen. Vielmehr geht es darum, den Wandel zu reflektieren, die Chancen wahrzunehmen und sich für die grösstmögliche Freiheit zu entscheiden – auch dann, wenn diese nicht zum Nulltarif zu haben ist.

Dass ich nicht der einzige bin, der das so empfindet, offenbart sich zum Beispiel im Vanlife-Boom, denn gerade in Europa sind Roadtrips mit dem Campervan eine der letzten Möglichkeiten, sich der Rationalisierung des Reisebetriebs zu entziehen.

Beeinflussen können wir aber auch viel durch die Wahl unserer Reiseziele. Es gibt noch immer jede Menge Weltgegenden, in denen der Reisesektor noch nicht so stark durchrationalisiert ist. Häufig sind das genau jene Regionen, die ohnehin nicht so touristisch sind und daher auch oft noch ein authentischeres Reiseerlebnis mit einem viel engeren Kontakt zu anderen Menschen erlauben.

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21 Kommentare

  1. Ein sehr interessanter Artikel! Meine These dazu ist: Die jungen Leute von heute trauen sich gar nicht mehr, ohne eine Vorabbuchung einen Bus zu nehmen, ein Hostelzimmer zu suchen oder sonst etwas im Land zu machen. Diese ganzen Fragen auf Facebook: Wer weiß, wann ein Bus von A nach B fährt? Wer kann mir ein Restaurant in XY empfehlen? Herrgott, früher sind wir einfach zum Busbahnhof gelaufen und haben nachgefragt oder sind die Straße runtergegangen und haben uns selber die Restaurants angeschaut. Dazu sind viele heutzutage zu feige (oder zu faul?). Stattdessen müssen sie alles vorher digital festmachen, um ja nicht überrascht zu werden und eventuell Alternativen suchen zu müssen. Das macht es in der Tat Leuten, die gern spontan reisen, schwer. Wie gern wäre ich in Malaysia einfach von Ort zu Ort getrieben. Aber ein vorsichtiger Blick in die Buchungsportale sagte mir: Auf der Insel – alles ausgebucht, im Nationalpark – alles ausgebucht. Und zwar Wochen vorher. Sehr unschöne Entwicklung, wie ich finde. Sowohl für die Spontanreisenden als auch für die „Neulinge“, denen sicherlich bei dieser Reiseform einiges an Erlebnissen und eigenen Erfahrungen entgeht.

    1. Danke fürs Lob. Ich glaube allerdings nicht, dass das so sehr mit Faulhaut oder Feigheit zu tun hat, sondern vielmehr damit, dass es heute tatsächlich viel schwieriger ist, spontan und flexibel zu reisen als noch vor 20 Jahren. Wie du ja selber schreibst, kommt es heute schon auch mal vor, dass in einem Nationalpark alles bis aufs letzte Bett ausgebucht ist. Und ich denke, dass sich dies in den nächsten Jahren noch verstärken wird, da die Anbieter der Dienstleistungen natürlich ein Interesse daran haben, eine möglichst hohe Auslastung zu erreichen, was halt nur über flexible Preise und Frühbuchrabatte gut funktioniert.

      1. Da beißt sich die Schlange in der Schwanz, glaube ich ;-) Die Leute wollen heutzutage nicht mehr flexibel sein, daher ist alles schon ausgebucht, was es schwierig macht, flexibel zu sein, selbst wenn man es wollte. Also buchen auch die früher Flexiblen, um nicht leer auszugehen, was die Spirale noch enger werden lässt :-)
        Ich denke, dass das Problem eher von den Touristen verursacht wird und weniger von den Anbietern. Die wollten auch früher am liebsten alles geplant haben (ist ja auch verständlich für die Geschäftsplanung). Aber die „Angst“, etwas nicht mehr zu bekommen, weil andere ja schneller gewesen sein könnten, spielt ihnen natürlich in die Karten …

        1. Ja genau, das ist so etwas wie ein Teufelskreis. Das sehe ich genauso.

          Man muss sicherlich im Einzelfall etwas differenzieren, aber grundsätzlich denke ich schon, dass dieser Wandel hauptsächlich von den Dienstleistern angetrieben wurde. Denn die sind es ja, welche mit Frühbuchrabatten und Co. versuchen, den höchstmöglichen Ertrag zu erreichen; sprich: den Flug/Zug/Bus so nahe wie möglich an eine Vollauslastung zu bringen. Was an sich ja auch nicht nur schlecht ist, da so Resourcer gespart werden. Die Kunden selber haben ja eigentlich nichts von Frühbuchrabatten, wenn dabei einfach das allgemeine Preisniveau steigt. Und wenn du mal versuchst, den Kontakt eines kleineren Hotels zu suchen, dann merkst du schnell, mit welcher Kraft sich die an sich vollkommen unnötigen Buchungsportale zwischen Kunde und Anbieter gedrängt haben.

          1. Da wollte ich gerade quasi den gleichen Kommentar schreiben wie Sabine. Vielleicht beißt sich die Schlange in den Schwanz, ich sehe das aber genauso bei der jüngeren Generation. Sogar dort, eo es nun wirklich nicht notwendig (und auch nicht üblich) ist, wird bis ins kleinste Detail alles geplant – das finde ich superschade. Das war früher ja genau der Grund, eben keine Gruppenreise mit Reiseleitung zu buchen, sondern den Rucksack zu schnüren: die Freiheit. Die geht da jetzt völlig verloren.
            Meiner Ansicht nach gibt es also eher die Nachfrage, auf die hier die Unternehmen reagieren.
            Aber egal, wie es nun ist: Spannender Artikel! Das mit der Kommunikation sehe ich ganz genauso. Es ist echt quark zu glauben, die Leute hätten früher in der Berliner Ubahn mehr kommuniziert. Sie sind jetzt vielleicht nur nicht mehr ganz so gelangweilt. :D
            /inka

          2. Vielleicht ist das auch einfach so ein Henne-Ei-Problem und in Tat und Wahrheit einfach eine Entwicklung, die sich gegenseitig begünstigt. Um das genau beurteilen zu können, müsste man viel tiefer in die Materie als ich das hier leisten kann.

            Was mir allerdings bei der jüngeren Generation auch schon auffiel, ist das stärkere Rationalitätsdenken als bei uns. Die Idee, dass Reisen effizient sein müssen, ist uns – die wir zeitlich noch recht nahe an der Hippie-Generation sind – wohl eher fremd.

    2. Auf junge Leute pauschalisieren würde ich das nicht. Aber ich schätze, dass ein Großteil der jüngeren Generation in deine These fallen.
      Ich bin damals nach Jakarta geflogen und hatte auch ein Hostel, aber Vorort hab ich alles ganz entspannt gemacht. In meinem Hostel habe ich Reisende aus allen möglichen Ländern getroffen und dann sind wir spontan und ohne Plan umhergezogen. Und das war wirklich großartig – keine Verpflichtungen, außer dass ich pünktlich nach Singapur zurückreisen musste. Habe da in der Woche nämlich gearbeitet.

      Ich finde auch, dass flexibles Reisen einfach viel Entspannendes aber auch viel Abenteuer bereithält. Aber aufgrund der genannten Gründe in eurem Dialog sieht man ja, woran es hakt. Digitalisierung hat viele Vorteile, aber eben auch eine nicht unerhebliche Schattenseite..

  2. Hast völlig recht. miteinander reden ist nicht mehr modern! Schade.,hatte als alleinreisende viele nette Begegnungen.
    Herzliche winterliche Grüße aus Österreich Christl

  3. Deine Theorie zum Boom der Wohnmobilreisen ist interessant. Stimmt, damit ist man flexibler – abgesehen davon, dass man, weil man das teure Ding ja nun gekauft hat, vollkommen auf Van-Reisen festgelegt ist :-P
    Für mich bedeutet der WoMo-Boom aber auch, dass die Menschen sich noch mehr abschotten wollen auf Reisen. Sie reisen ja sozusagen in ihrem eigenen Schneckenhaus. Ich finde es gruselig auf manchen Campingplätzen, wo Reihen von Luxus-Wohnmobilen nebeneinander stehen und die Besitzer alle drinnen vor ihren Fernsehern und Laptops hocken… :-/

    Liebe Grüße
    Jenny

    1. Es gibt in Europa mittlerweilse sehr viele Anbieter für Mietcamper. Die sind teilweise schon ab 50 Euro pro Tag (Spanien/Portugal in der Nebensaison) zu haben. Ausserdem hat man ja auch die Möglichkeit über Vermittler private Wohnmobile zu mieten, teilweise recht luxuriöse Modelle.

      Wenn man also nicht gerade eine längere Tour plant oder verzweifelt nach einer Alternative zum Geld-die-Klo-Schüssel-runterzuspühlen sucht, muss man sich nicht unbedingt mit einem Kauf auf Van-Reisen festlegen.

      Aber mit dem Abschotten hast du leider vollkommen recht. Wohnmobile fördern nicht gerade den Kontakt – nicht auf dem Campingplatz und schon gar nicht beim Wilden Campieren.

  4. Moin!
    Dein Artikel macht mich nachdenklich. Ich habe auch heute kein Problem, mit Leuten unterwegs ins Gespräch zu kommen. Das mag auch am Alter liegen. Außerdem liebe ich es, alleine zu reisen. Bei meinem favorisierten Reiseziel China ist es sehr, sehr schön, dass man von der Unterkunft bis zum Zug alles vorbuchen kann. Was war das früher manchmal für eine Qual, von Hostel zu Hostel zu laufen, um ein Zimmer zu bekommen! Für die Informationen zu Zügen und das Kaufen von Fahrkarten gingen halbe Tage drauf. Ne, da ist einiges einfacher geworden! Aber die Planlosigkeit mancher Leute, wenn sie auf Facebook nach irgendwelchen Zugverbindungen fragen, finde ich ziemlich erstaunlich. Andererseits beklagen viele, dass man in China angeblich nicht spontan und flexibel reisen kann.
    Ich habe schon früher unterwegs viele Abende mit Tagebuch schreiben verbracht. Damals analog und heute digital. Trotzdem finde ich meistens jemand, der mit mir essen geht, wenn ich das will.
    LG
    Ulrike

    1. China ist meiner Ansicht ein bisschen ein Sonderfall, weil die Modernisierung und Digitalisierung mit einem massiven Ausbau der Infrastruktur zusammenfiel. Dadurch hat in China die Flexibliät trotz Digitalisierung und Rationalisierung stark zugenommen. Das ist aber in Europa nicht so.

  5. Finde so sehr meine Gedanken in deinen Beobachtungen wieder. Allerdings plane ich nicht unbedingt mehr im voraus (speziell durch Hotelbuchungsportale), sondern eher viel später. Gerade in der Nebensaison in bestimmten Ländern schaue ich erst auf einem Portal nach ungefährer Preisspanne und Verfügbarkeit und gehe einfach direkt zur Unterkunft. Spart manchmal Geld, weil einige Unterkünfte zum Glück noch froh über direkte Buchungen sind (wird aber leider auch weniger). Und ich hole mir ein bisschen Spontaneität zurück, die ich auch oft vermisse.
    Das Handy ist gerade auf Reisen allein Fluch und Segen zugleich. Viele Dinge hätte ich unterwegs ohne Handy, Internet und die dadurch vorhandenen Möglichkeiten und anderen Kommunikationsformen nicht erlebt, andererseits denke ich, dass sich schwieriger das spannende Gefühl des Unterwegsseins und Reisens einstellt, wenn man seine gewohnte (Online-)Umgebung immer in der Hosentasche hat.
    Irgendwann möchte ich mal wieder eine Reise ohne jegliche Technik antreten, halte das aber selbst für ein nahezu unmögliches Projekt. Und finde diesen Gedanken dabei total absurd.
    Liebe Grüße,
    Tatiana

    1. Hallo Tatiana,

      ich finde den Gedanken überhaupt nicht absurd. Es gibt ja Bergregionen (ich glaube in der Schweiz), die sogar explizit damit werben, dass man dort keinen Internetempfang hat und den perfekten Digitaldetox erleben kann. Dabei wäre das vermutlich noch nicht einmal nötig, weil ja in den Berghütten sowieso immer eine recht inklussive Stimmung vorherrscht.

      Bei den Unterkünften gibt es das ja in beide Richtungen. Ich bin auch schon mit dem Wissen um günstige Onlinepreise an eine Rezeption gegangen, nur um dort festzustellen, dass die Direktpreise höher sind. Das Erstaunliche dabei: Die waren nicht bereit, mir diesen Preis direkt anzubieten und zwangen mich, in der Lobby über ein Portal zu buchen. Das kann ich echt nicht verstehen, zumal die Gebühren ja wirklich recht hoch sind. Aber naja, das ist deren Problem.

      Gruss,
      Oli

  6. Das mit den Reservierungen bei Guesthouses ist echt schlimm geworden. Wie du sagst, wird man ohne Buchung schon schräg angeschaut. Vor nicht mal zehn Jahren war es eher umgekehrt. Welcher Backpacker hat denn im Jahr 2010 Guesthouses und Hostels per Telefon angerufen und gesagt „morgen komme ich“?

    Ich buche seit ein bis zwei Jahren auch online, weil ich ein paar schlechte Erfahrungen gemacht habe. Nicht, dass man nix finden würde, aber teilweise sind die Walk-In-Preise dann gehörig teurer als bei booking und co! Statt dass sie sich freuen die 20% Kommission behalten zu können.

    Ich buche jetzt also am Vorabend oder am Morgen vor dem Checkout die nächste Übernachtung. Das heißt ich sitze ne Stunde im Gemeinschaftsraum am Laptop und bin nicht ansprechbar ;)

    1. Das mit den Walkin-Preisen kappiere ich auch echt nicht. Klar, Hotels und Guesthouses haben auf Booking und Co eine grössere Konkurrenz und daher ist es für sie sicherlich sinnvoll, andere preislich zu unterbieten, um möglichst viele anzulocken. Im Internet ist die Konkurenz ja nur ein Klick entfernt. Und ja, ich verstehe auch den Gedanken, dass Leute, die mit dem ganzen Gepäck auf der Matte stehen, eher bereit sind, teure Preise zu bezahlen.

      Aber wenn jemand an der Rezeption steht und sagt: Entweder gebt ihr mir den gleichen Preis wie im Internet oder ich buche dort, dann ist es doch eigentlich nur hirnverbrand, die Leute ins Internet zu schicken. Wäre ich Hotelier, würde ich noch zusätzliche zehn Prozent Rabatt anbieten, damit ich ganz sicher sein kann, dass ich mehr verdiene.

      Aber aus meiner Erfahrung ist das vor allem dort ein Problem, wo die Leute an der Rezeption nicht selbständig entscheiden dürfen. Also hauptsächlich in grösseren, anonymen Unterkünften und in Asien, wo es noch immer oft sehr starke Hierarchien gibt.

  7. Lieber Oliver,
    sehr schön reflektiert und zusammengefasst. Ich hadere noch immer mit dem Smartphone und nutze vieles noch nicht. Leider sehe ich mittlerweile ein, dass ich es für die nächste Reise können muss. Mit den Smartphone gingen andere Möglichkeiten mehr und mehr verloren. So gibt es kaum noch einen PC in der Lobby, an dem man mal kurz surfen kann. Die Rezeption bestellt kein Taxi oder wundert sich über den Wunsch. Als ich in Malaysia war, hatte ich Probleme aus dem Hotel wegzukommen. In der Lobby war ein Counter einer Fremdfirma, die Taxis für den 3-fachen Preis verkaufte. Die meisten nutzten keine Taxis mehr, sondern die Grab-App. Ohne die war ich völlig aufgeschmissen. Früher gab es vor jedem größeren Hotel oder Geschäft einen Taxistand, das ist heute seltener geworden. In den USA bin ich mal nach einem Konzert nicht weggekommen, weil ich keine Uber-App hatte. In Clearwater Beach konnte ich die Fähre nur auf dem Handy reservieren, kein Ticketverkauf an Bord und auch der Transfer zum Flughafen wurde schwierig. Für mich ist so einiges schwieriger geworden als früher. Ich fühle mich gezwungen, ein Handy zu nutzen, selbst wenn ich es nicht will.

    Ich habe noch immer eine Taschenlampe im Gepäck, die auf dem Nachttisch steht. Für mich geht das schneller. Mit dem Alter sehe ich schlechter und der Bildschirm des Handys ist mir ein bisschen zu klein, zumindest unbequem zum Sehen.

    Die Kommunikation unter den Leuten hat abgenommen. Im Büro in der Mittagspause schaut jeder auf sein Smartphone. Es gibt keine Gespräche mehr, das war früher nicht so. Im Restaurant sehe ich Pärchen, die aufs Handy schauen und essen, sich aber stundenlang anschweigen. Oder du versuchst dich zu unterhalten und dein Gegenüber daddelt die ganze Zeit an dem Gerät.

    Ich bin in einem Haushalt ohne Telefon aufgewachsen. Irgend wie bin ich zwiegespalten. Manches finde ich gut wie die angesprochene Sprach-App, anderes eher schlecht. Aber ich werde es nicht aufhalten können. Es ist mir nur zu extrem einseitig.

    Herzliche Grüße
    Renate

    1. Hallo Renate,

      das mit dem Taxi finde ich auch ziemlich nervend – zumal man ja oft für jedes Land wieder eine neue App braucht. Bei den meisten Apps ist es so, dass man auch für andere Leute ein Taxi rufen kann. Das wird dann bei Ankunft bar bezahlt. Die Leute an der Rezeption könnten dir also im Prinzip auch über ihr eigenes Handy ein Grab bestellen. Das machen sie eigentlich auch oft, wenn man nett fragt.

      Bei der Taschenlampe habe ich die Leucht-App unten in den Quicklauncher reingemacht, wo man die fünf am häufigsten genutzen Apps reintun kann. So finde ich die Taschenlampe auch mit verschlafenen Augen auf Anhieb.

      Gruss,
      Oli

      1. Hallo Oli,

        ich musste gerade lachen, wenn man das Wort der App auf Deutsch liest. Sorry! Ich hoffe, dass die Rezeption mir nur ein Taxi bestellt und kein „Grab“. Die durften das nicht, weil ja der tolle Counter sein Geld verdienen wollte und wir waren etwas außerhalb der Stadt.

        Liebe Grüße
        Renate

        1. Stimmt, das ist mir gar noch nicht so aufgefallen – vermutlich, weil ich „ein Grab bestellen“ bisher nur auf Englisch benutzt habe und es da wegen der Nähe zu „Cab“ weniger seltsam klingt. Aber sagt man auf Deutsch nicht auch „ich bestell mir ein Uber“? Ich habe den Eindruck, dass ich das auch schon gehört habe.

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