Seit einiger Zeit werden Online-Buchhandlungen mit KI-Reiseführer von miserablster Qualität überschwemmt. Wie schlecht die KI-Guides wirklich sind und wie du dich vor dem um sich greifenden Scam schützst, verrate ich dir in diesem Beitrag.
Vor ein paar Monaten fiel mir beim Scrollen durch Tiktok eine Werbung auf. Darin wurde eine Software angepriesen, die mittels Künstlicher Intelligenz Bücher designt. Die Texte selber, so hiess es in der Werbung weiter, könne man ohne viel Aufwand per ChatGPT oder mit anderen kostenlosen Tools erstellen. Das sei so etwas wie eine selbstlaufende Gelddruckmaschine.
„Ernsthaft?“, dachte ich mir. Als Autor von mittlerweile drei Reisebüchern weiss ich vor allem eines ganz genau: Das Buch zu schreiben, ist das kleinste Problem im ganzen Prozess. Die Schwierigkeit besteht vielmehr darin, die Produkte anschliessend zu verkaufen. Und da hilft es kaum, wenn bereits der erste enttäuschte Käufer eine bissige Ein-Sterne-Bewertung hinterlässt.
Ob es am Algorythmus oder am gewaltigen Umfang dieses Bauernfängertricks lag, dass mir in den folgenden Wochen immer wieder ähnliche Angebote in die Timeline gespühlt wurden – das kann ich nicht sagen. Ich dachte mir aber jedes Mal: so blöd kann doch eigentlich niemand sein und vergas die Werbung wieder.
Die Flut an Fake-Reiseführern
Bis ich vor einigen Wochen meinen Zürich-Reiseführer aktualisierte und dabei feststellte, dass in den rund zwei Jahren seit der Erstausgabe sehr viel Konkurrenz hinzugekommen ist. So begann ich, die neuen Bücher etwas genauer anzuschauen.
Auf den ersten Blick wirkten sie absolut professionell: Ein schön gestaltetes Cover – und dank der Jahreszahl 2024/2025 versprachen die Bücher auch eine hohe Aktualität. Dies wiederum erklärte auch, wieso die meisten Angebote noch kaum Bewertungen hatten. Der AmazonRank, der die relativen Verkäufe vergleicht, versprach aber ein eher stärker nachgefragtes Buch.
Also habe ich, wo das möglich war, einen Blick in die Vorschauen geworfen. Was ich da entdeckte, entsprach überhaupt nicht dem Eindruck, den das professionelle Cover vermittelte. Gleich mein erster Blick blieb an einer eigenartigen Formulierung hängen: „Schweizerdeutsch, der regionale Dialekt, und Hochdeutsch, oft auch Hochdeutsch genannt, unterscheiden sich stark“.
Und so ging es mit Fehlinformationen, ödem Schreibstil und vollkommener Belanglosigkeit weiter. Ein paar Seiten später wurde als Grund für einen Besuch der grössten Schweizer Stadt ausgerechnet die Alpwirtschaft genannt. Klar, man sieht von Zürich aus bei schönem Wetter das Alpenpanorama. Aber es ist trotzdem ein komplett anderer Ort.
Man muss kein Genie sein, um die Tiktok-Werbung mit diesen mieserablen „Reiseführern“ in Verbindung zu bringen, die aktuell angeboten werden. Während ich diesen Text schreibe, bin ich übrigens auf einen Artikel meiner Kollegen von Reiseleidenschaft.com gestossen, die sich die Machwerke noch genauer als ich anschauten.
Ein fast schon lustiges Beispiel finde ich den dort zitierten Wochenplaner, in dem die Tage mit „Mein, Di, Heirat, Do, Fr, Sa, Sonne“ übersetzt wurde. Da hat noch nicht einmal jemand flüchtig drauf geschaut! Die haben laut dem Artikel auch eines der Bücher zum Test bestellt und ein ausgedrucktes PDF erhalten. Aber lest selber, wenn ihr mehr erfahren wollt.
Wie kannst du solche Scam-Reiseführer erkennen?
Verlässliche Reiseinformationen sind für die Planung wichtig. Damit du nicht versehentlich einen dieser Scam-Reiseführer kauft, möchte ich hier ein paar Tipps mitgeben, wie du sie (aktuell noch) leicht erkennen kannst. Sie dürften aber mit der schnellen Entwicklung der Sprachmodelle wohl bald schwerer zu erkennen sein.
Der Titel: Alle KI-Reiseführer, die ich gesehen habe, hatten eine Jahreszahl im Titel. Der Grund dürfte sein, dass viele Leute bei Amazon oder Google „Zürich Reiseführer 2024“ eingeben. Echte Guides haben das in der Regel nicht, weil eine so häufige Aktualisierung für menschliche Autoren schlicht nicht zu leisten ist. Allerdings ist das ohnehin unnötig. Die meisten Sehenswürdigkeiten stehen seit hunderten von Jahren da und verschwinden nicht über Nacht. Auffällig ist oft auch der blumig-nichtsagende Untertitel im Stil von „e
Selbstverlag: Diesen Punkt zu nennen, tut mir ein bisschen weh, weil ich weiss, dass viele meiner Blogger-Kollegen wirklich hervorragende Bücher im Eigenverlag veröffentlicht haben. Aber aus naheliegenden Gründen erschienen tatsächlich ausnahmslos alle diese Scam-Bücher ohne einen Verlag im Rücken. Ich würde daher bei Selbstpublishern generell zur Vorsicht raten, es sei denn, du kennst den Autoren und kannst die Qualität einschätzen.
Massenweise Bücher: Ich vermute, dass es an den Abrechnungsprozessen liegt und es für die Scammer schwierig ist, für viele Autoren jeweils ein neues Bankkonto zu eröffnen. Aber in allen Beispielen haben die „Autoren“ eine Unmenge an Büchern geschrieben. Am Montag 200 Seiten Insidertipps zu Bali, am Mittwoch gings dann nach Budapest und am Freitag war ganz Mexiko dran – und in der folgenden Woche das ganze noch auf Franzöisch. Es ist klar, in so kurzer Zeit kann niemand ein Buch recherchieren geschweige denn schreiben. Die Zeit reicht nicht einmal für ein oberflächliches Lektorat und das merkt man eben.
Amazon: Wegen der grossen Reichweite von Amazon scheint der Webshop die beliebteste Adresse für Fakebücher zu sein. Der Weltkonzern macht allerdings auch herzlich wenig, um Mindestqualitätsstandards zu garantieren. Wahrscheinlich ist auch ein schlechtes Buch Einkommen. Zudem tut sich Amazon auch mit Meldungen schwer. Bei der Recherche bin ich auf eine amerikanische Romanautorin gestossen, die vor einem Jahr unter ihren Namen veröffentliche Fake-Bücher löschen lassen wollte. Erst als es einen Socialmedia Shitstorm gab, lenkte der Konzern ein. Daher der vermutlich am einfachsten umsetzbaren Tipp: Besuch einfach wieder mal eine lokale Buchhandlung.
Bewertungen: Die meisten Fake-Bücher, die ich gesehen habe, hatten entweder gar keine Bewertungen oder solche mit extrem unterschiedlichen Einschätzungen. Das erklärt sich daraus, dass sich die Fake-Autoren natürlich Bestnoten geben (lassen), während es von den echten Käufern Reklamationen schneit. Deswegen ist es auch so wichtig, dass du diese Machenschaften mit nur einem Stern bewertest und das Buch zurückgibst. Wenn die Autoren alle drei Tage ihre Bücher wegen den vielen schlechten Kritiken wieder entfernen müssen, unterhöhlt das langfristig das Geschäftsmodell der Scammer. Und natürlich helfen auch gute Bewertungen für Bücher, die dir tatsächlich gefallen haben.
Schlusswort
KI ist gekommen, um zu bleiben. Das kann man gut finden oder bedauern. Doch egal, wie man zu dieser Technik steht, sollten wir uns einig sein, dass es eine bessere Transparenz und eine klare und mit Sanktionen belegbare Kennzeichnungspflicht braucht.
Denn genauso wie es ein Betrug ist, wenn man Wasser in Weinflaschen abfüllt und für 20 Euro verkauft, finde ich nicht in Ordnung, dass hingerotzter Textmüll als echte Bücher verkauft werden. Leider ist aber weder von den Firmen, die davon profitieren, noch von der Politik, die sich bei solchen Themen in der Regel durch Inkompetenz auszeichnet, viel zu erwarten.
Umso wichtiger, dass wir als Konsumenten das Spiel durchschauen und solche Machschaften nicht unterstützen.
Hallo Oli,
danke dir, dass du dich diesem Thema gewidmet hast. Wir sind selbst vor einiger Zeit darauf gestoßen, als zu unseren Destinationen auch vermehrt „Reiseführer“ auftauchten, bei denen sich schon der beschreibende Text auf Amazon als derartiger Müll erwies, dass wir davon abgesehen haben, so ein Buch auch nur zu bestellen. In unserem Fall hat ein guter „Paul R. Baker“ in rasend schneller Zeit Bücher über Istanbul, Dubai, Azoren, Antalya, Versailles usw. geschrieben. Der Fake-Autor wird vorgestellt als „Amerikaner mit einer großen Leidenschaft dafür, die Welt zu erkunden und neue Dinge zu lernen“. Meist haben seine Bücher null Sterne, im Falle Dubais aber auch zehn – alle Rezensionen klingen dabei wie der Rest der Texte zum Buch… KI wird bleiben, richtig. Ich hoffe aber sehr, dass die Leser:innen recht bald die Spreu vom Weizen zu unterscheiden wissen und sich nach einem Reinfall mit einem Buch dieser Art wieder renommierten Verlagen bzw. Autoren mit realem Background zuwenden. Ansonsten wäre das echt bitter für uns.
Viele Grüße
Gabi
Hallo Gabi,
das ist eben genau das, was ich so schade finde: In den letzten Jahren sind ein paar wirklich hervorragende Reiseführer von Blogger-Kollegen im Selbstverlag herausgekommen. Zum Beispiel der Bangkok-Guide von Florian Blümm und Stefan Diener ist meiner Meinung nach besser als alles, was bei renommierten Verlagen erschienen ist. Oder auch die Bücher von Melissa von Indo-Junkie sind/waren wirklich gut – ich glaube, sie hat das Projekt abgegeben. Auch ich habe immer mal wieder überlegt, ob ich nicht auch Bücher abseits der Verlage schreiben soll. Das erlaubt grössere Freiheiten und der deutlich höhere Verdienst pro Buch ermöglicht auch Nischenthemen, die sich über einen Verlag nie rechnen würden. Insofern glaube ich, dass das schon einen Teil der Medienvielfalt zerstören wird.
Gruss,
Oli
„Auch ich habe immer mal wieder überlegt, ob ich nicht auch Bücher abseits der Verlage schreiben soll. Das erlaubt grössere Freiheiten und der deutlich höhere Verdienst pro Buch ermöglicht auch Nischenthemen, die sich über einen Verlag nie rechnen würden.“
Ich hatte genau das letztens gemacht und einen Wanderführer für Teneriffa geschrieben, den ich u.a. über meine Webseite vertreibe. Die Einnahmen pro Buch sind natürlich schon nicht schlecht. Die eigentliche Herausforderung ist aber tatsächlich, wie du auch schon im Artikel schreibst, das Buch zu verkaufen. Das habe ich ehrlich gesagt noch nicht so raus. Und im Amazon-Shop dümpelt das irgendwo auf Platz 1000 rum. Wäre mal interessant zu wissen, wie diese Fake-Reiseführer ein gutes Ranking erzielen:)
Viele Grüße
Selim
Hi Selim,
Ich denke, dass die Jahreszahl tatsächlich hilft, weil wahrscheinlich eine Menge Leute einen möglichst aktuellen Guide wollen. Und ich kann mir vorstellen, dass man das auch über Fake-Käufe manipulieren kann. Denn wider Erwarten haben die Fake-Bücher oft ein erstaunlich guten Verkaufsrank.
Und im Endeffekt: Wenn man für ein Buch, in das man drei Stunden investiert hat, 20 Verkäufte mit einem Gewinn von je 20 Euro hat, dann ist das je nach Herkunftsland ja trotzdem ein ziemlich attraktives Geschäftsmodell.
Gruss,
Oli
Ich habe keine Erfahrung damit, wie einfach es ist, ein Buch bei Amazon zu veröffentlichen, aber es ist schade, dass sich die Situation in diese Richtung entwickelt. Da Reisebücher zunehmend spezieller und nischiger werden, scheint es, als würden diese KI-generierten Bücher genau diesen Trend ausnutzen. Nur leider auf Kosten der Qualität.
Hi Janine,
ich glaube, das Veröffentlichen selbst ist ziemlich einfach. Eine Qualitätskontrolle gibt es ja offensichtlich nicht. Die Herausforderung ist es, die Bücher zu verkaufen. Und ich kann mir vorstellen, dass Leute, die einmal versehentlich KI-Müll gekauft haben, sich beim zweiten Mal genau überlegen werden, unabhängigen Autoren eine weitere Chance zu geben. Das ist eigentlich das, was mich am meisten ärgert an der Geschichte.
Gruss,
Oli
Ach, es ist wirklich die Pest mit der KI. Ein Reiseführer ist mir zwar noch nicht in die Finger gekommen, dafür aber ein Kochbuch. Und das war wirklich unterirdisch. Wir haben den Kauf dann tatsächlich auch an Amazon zurückgeschickt und eine schlechte Bewertung hinterlassen. Das Buch war auf den ersten Blick zwar ansprechend, aber Texte und Bilder waren einfach miserabel und sahen auch sofort nach KI aus. Wer will sowas eigentlich lesen? Also ich nicht. Daher nochmal danke an Dich, für so kurzweilige Bücher wie „111 Gründe China zu lieben“. Das war nicht nur total informativ und hilfreich, sondern auch noch richtig witzig. Denke nicht, dass mich ein KI-Buch so zum Lachen bringt. VlG, Nadine
Hallo Nadine,
Es geht ja nicht nur um die unterirdische Qualität. Der Witz ist doch, selbst wenn einem die KI-Qualität ausreicht und man sich nicht daran stört, hin und wieder nach Sehenswürdigkeiten zu suchen, die es tatsächlich gar nicht gibt, ist das ein Betrug. Denn die paar Zeilen kann nun ja wirklich jeder selbst bei ChatGPT eingeben. Dafür muss man niemanden 20 Euro bezahlen.
Und vielen Dank fürs Lob. Ich freue mich, dass dir das Buch gut gefallen hat. Und falls du das nächste Mal in die Schweiz kommst, kann ich dir gerne auch die Schweiz-Guides schicken. Vor allem das mit den Dark und Lost Places könnte für dich spannend sein.
Liebe Grüsse,
Oli
Hallo Oliver,
danke, dass Du den Finger genau auf das Problem legst, das klingt wirklich gruselig und ich werde beim nächsten Buch nochmal ganz genau hinschauen. Das es so offensichtlich ist, war mir gar nicht bewusst – ich hatte mich damit aber auch noch nicht beschäftigt.
Lg Sandra
Hi Sandra,
für uns Reiseerprobte dürfte das kein so grosses Problem sein, weil wir wohl sowieso unsere Lieblingsreihen und -verlage haben oder selbst publizierte Sachen höchstens von Leuten kaufen, deren Qualität wir einschätzen können. Aber ich denke, dass es gerade bei den älteren Leuten, die da nicht so versiert sind, schon passieren kann, dass jemand versehentlich solchen Müll kauft.
Gruss,
Oli
Ein super Thema, das du hier behandelst, danke! Reiseführer kaufe ich generell nur im Buchhandel, weil das die Vorfreude und das Fernweh enorm verstärkt und man sich vor Ort einfach unendlich viel Inspiration holt. Aber ich habe einige Freunde und Bekannte, die generell nur noch alles online bestellen, die wären für solch einen Scam ein gefundenes Opfer. :/
Das finde ich super, dass du den lokalen Buchhandel unterstützt. Hier in der Schweiz braucht das leider neben etwas Goodwil auch grösseren finanziellen Spielraum, weil bei uns alle Bücher massiv teurer sind. Deswegen kaufe ich schweren Herzens trotzdem beim Online-Händler ein.
Oha. Und plötzlich wird es zum Qualitätsmerkmal, wenn ein Reiseführer vor 2023 erschienen ist. :D
Haha…. hat was…
Das erinnert mich alles ein bisschen an die billigen Plagiate feiner Designer-Klamotten, mit denen einige Leute in den 90ern erhobenen Ranges aus dem Urlaub wiederkamen.
Die aufdringliche Offensichtlichkeit solcher Scams finde ich ja grundsätzlich immer witzig.
Nur, dass die allermeisten bei den Klamotten oder dem Schmuck eh keine hohe Qualität erwarten und genau wissen, was sie da kaufen.
Bücher kauft man halt mit einem anderen Anspruch, und die Profitierenden verkaufen ihren Schrott wohl auch aus anderen Beweggründen.
Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es nicht „irgendwann“ mal – z.B. auf EU-Ebene – eine Analyse-und-Kennzeichnungspflicht für reine KI-Produkte geben wird.
Im einfachsten Fall müsste man Amazon etc. doch „nur“ dazu verpflichten, in ihrem Einkaufswagen einen AI-Checker zu implementieren, der die Kund:innen vor dem Checkout darauf hinweist, ob das gewählte Produkt organisch oder KI-generiert ist. Aber dazu müssten den Händlern auch die vollständigen Inhalte vorliegen… 🤔
Spannendes Thema – vielen Dank für den Beitrag und die Impulse.
Liebe Grüße
Dennis
Hi Dennis,
Ja, die Ähnlichkeit mit den gefälschten Designerklamotten ist schon da. Mit dem Unterschied, dass diese Plagiate halt klar illegal sind und den Leuten am Zoll abgenommen werden, wenn es auffällt. Für KI-Betrug gibt es bisher noch keine Regeln. Aber ich bin grundsätzlich zuversichtlich, dass da der Gesetzgeber irgendwann nachzieht, um die Konsumenten besser zu schützen. Ist halt aktuell grad Goldgräberstimmung….
Gruss, Oli