WM-Fieber: Im Jeep von Kenia nach Brasilien
Florian Keller (41) hat sich einen Traum erfüllt: Er fährt im Jeep von Kenia nach Brasilien zur Fußball-WM 2014. Im Interview des Monats erzählt er von den Vorbereitungen für dieses Abenteuer, seinen bisherigen Erlebnissen und den Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hat. Derzeit befindet er sich im Norden von Honduras im Dschungel.
WRF: Sie sind schon über 150 Tage mit dem Jeep unterwegs. Wie oft mussten Sie einen Reifen wechseln?
Florian Keller: So unglaublich es klingt, bisher hatte ich keine einzige Reifenpanne. Wir haben vor der Reise neue und hochqualitative Allzweckreifen gekauft – die Investition scheint sich gelohnt zu haben.
40.000 Kilometer durch 25 Länder in 200 Tagen – Wie ist die Idee zu Ihrer Reise von Afrika nach Brasilien entstanden?
2010 bin ich von Kenia zur Weltmeisterschaft nach Südafrika gefahren und diese Reise hat mich so begeistert, dass sich in meinem Kopf die Idee formte, von Afrika zur Weltmeisterschaft nach Brasilien zu fahren. Dabei ist die WM eher eine Ausrede für eine Reise um die Welt von meiner jetzigen Heimat Kenia nach Brasilien, wo ich mehrere Jahre gelebt habe. Diese Reise ist ein einmaliges Abenteuer für mich und die Realisierung eines Traums.
Was hat Sie an dieser Reise so besonders gereizt?
Die Welt zu entdecken, atemberaubende Landschaften zu erleben und Sümpfe, Savannen, Wüsten, Berge und Ozeane zu überqueren. Diese Reise hat mich so gereizt, weil ich Tiefpunkte und Schwierigkeiten meistern, Menschen verschiedenster Kulturen begegnen, meinen Horizont erweitern und mich selbst besser kennenzulernen wollte.
Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Eine Reise wie unsere mit dem Auto durch 25 Länder braucht eine lange Vorlaufzeit der Planung, damit sie einigermaßen reibungslos abläuft. Vor fast drei Jahren habe ich damit angefangen, mir konkrete Gedanken über die Reiseroute zu machen. In den neun Monaten vor meiner Abreise habe ich einen recht großen Teil meiner Zeit damit verbracht, Visa zu beantragen und die gesamte Logistik der Reise zu organisieren. Dazu zählen die Vorbereitung unseres Expeditionsfahrzeugs, die Suche nach lokalen Partnern in „schwierigen“ Reiseländern, die Planung von fünf Fähr- und Containerschiffsverbindungen und das Verstehen der Bürokratien in den einzelnen Ländern.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Länder und Orte ausgewählt, durch die Sie fahren?
Mir war klar, dass ich im Winter durch Sibirien reisen werde, da ich den zugefrorenen Baikalsee und die ewige Weite Sibiriens erleben wollte. Darum herum habe ich mir auf einer Weltkarte eine Reiseroute zusammengebastelt, die möglichst viele Länder beinhaltet, die mich besonders interessieren, und die auch durchführbar ist. Bei der Recherche zu den einzelnen Ländern habe ich zum Beispiel gelernt, dass es in China nicht erlaubt ist, mit einem ausländischen Führerschein zu fahren und dass man in Saudi Arabien nicht mit einem rechts gesteuerten Fahrzeug unterwegs sein darf. Deshalb mussten wir die Reiseroute mehrfach anpassen.
Gab es Länder, für die Sie kein Visum erhalten haben?
Ich musste insgesamt für sieben Länder ein Visum beantragen – Äthiopien, Dschibuti, Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan und Russland – und hierfür zum Teil nach Deutschland reisen. Diese Visa habe ich auch alle erhalten. Ich war mir aber nicht sicher, ob ich ein Visum für Saudi Arabien erhalten würde, so dass ich um dieses Land einen Bogen gemacht habe.
Sie fuhren durch viele Länder, die nicht gerade als Urlaubsziele bekannt sind. Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie bisher zu kämpfen?
Die Grenzüberquerungen mit dem eigenen Fahrzeug dauern zum Teil mehrere Stunden und an einigen Grenzen sprachen die Beamten überhaupt kein Englisch. Außerdem waren die Formulare teilweise nur in arabischen oder kyrillischen Buchstaben erhältlich. Polizisten sind vor allem in Zentralasien darauf aus, Touristen dazu zu nötigen, sich durch eine Geldzahlung die Weiterfahrt zu erkaufen. Darauf bin ich jedoch nie eingegangen und habe einfach immer so getan, also ob ich keine Ahnung hätte, wovon sie sprechen, und dabei gelächelt. Das hat dann immer dazu geführt, dass ich irgendwann von dem entnervten Polizisten durchgewinkt wurde. Die größte Hürde war aber in Japan – dort durfte ich mit meinem kenianischen Führerschein nicht fahren, habe es jedoch dennoch getan. Als mich die Polizei prompt erwischte, hat mir das ein fast ganztägiges Verhör in einer Polizeistation in Tokio eingebracht. Schließlich musste ich unterschreiben, dass ich niemals mehr ohne gültigen Führerschein in Japan fahren würde und dann haben mich die Polizisten wieder gehen lassen.
Gab es während Ihrer Fahrt auch gefährliche Situationen?
Die beiden gefährlichsten Situationen waren in Russland. Einmal sind wir nach einer Kurve auf einer vereisten Straße ins Schleudern gekommen, als ein lokaler Bus mit großer Geschwindigkeit auf uns zukam. Wie durch ein Wunder haben wir uns in Richtung der Schneewälle am Straßenrand gedreht und den Bus um einige Zentimeter verpasst. Eine zweite gefährliche Situation war auf dem Amur Fluss bei Khabarovsk im Fernen Osten Russlands. Dort habe ich an einem sonnigen, aber kalten Nachmittag einen Spaziergang über den vereisten Fluss gemacht. Plötzlich hörte ich ein Krachen und einen Moment später bin ich durch das Eis in den Fluss eingebrochen. Ich war total fassungslos, habe mich aber intuitiv an den Seitenrändern des Eisloches abgestützt und aus dem eiskalten Wasser gewuchtet. Zum Glück haben die Seitenränder gehalten, denn es gab weit und breit niemanden, den ich um Hilfe hätte anrufen können. Anschließend bin ich triefend nass ganz vorsichtig und mit einer Riesenangst davor, dass ich noch mal einbreche, zum Flussufer gelaufen. Zum Glück habe ich es geschafft, aber schon nach wenigen Minuten war meine Kleidung komplett steif gefroren. In beiden Situationen hatte ich einen Schutzengel, dem ich sehr dankbar bin.
Konnten Sie Ihren Reiseplan bisher einhalten?
Mein Reiseplan ist nur als grobe Leitlinie gedacht, um sicherzustellen, dass ich rechtzeitig zur WM in Brasilien ankomme. Für mich sind die spontanen und ungeplanten Reiseerlebnisse der größte Reiz am Reisen. Daher habe ich während der ganzen Reise Puffertage eingebaut, um dies zu ermöglichen. Derzeit hinke ich meinem ursprünglichen Reiseplan fünf Tage hinterher.
Wie war der Kontakt zu den Einheimischen und deren Reaktionen, wenn diese von Ihren Planungen gehört haben?
Jeden Tag gibt es Begegnungen mit Einheimischen, manchmal ist dies nur ein kurzes Gespräch mit dem Zöllner an der Grenze oder mit dem Tankwart an einer Tankstelle, einige Male haben wir auch bei lokalen Familien übernachtet. Die Reaktionen auf die Beschreibung unserer Reise reichen von heller Begeisterung bis zu ungläubigem Kopfschütteln.
Welche Begegnungen und Eindrücke haben sich Ihnen bisher besonders eingeprägt?
Bei dem Gedanken an besonders eindrucksvolle Reiseerlebnisse schwirrt mir der Kopf. Denn bei einer Reise von bisher mehr als 30.000 Kilometern gibt es so viele davon. Doch spontan kommen mir zwei Erlebnisse in den Sinn. In Isfahan im Iran treffen sich die Menschen an Feiertagen an einer der Brücken und singen traditionelle und sehr emotionale Lieder. Nach einiger Zeit kamen Polizisten, um den Kreis an Menschen, der sich um die Sänger gebildet hatte, aufzulösen. Doch kurz darauf versammelten sich die Menschen in kleineren Gruppen unter den Brückenbögen wieder und sangen dort bis nach Sonnenuntergang – wir hatten das Gefühl, einer uralten Tradition beizuwohnen, die auch den Repressionen des iranischen Regimes trotzt. Ein zweites besonders unvergessliches und abenteuerliches Erlebnis war am Baikalsee in Sibirien. Dort sind wir im Februar mit unserem Expeditionsfahrzeug über das blanke Eis des zugefrorenen Sees zu entlegenen Dörfern gefahren – eine fast surreale Erfahrung. Die schon länger zugefrorenen Teile des Sees waren mit einer 20-30 Zentimeter dicken Pulverschneeschicht bedeckt und als begeisterte Wintersportler haben wir uns mit Snowboard an einem Seil kilometerweit über das Eis ziehen lassen – das Snowboarden auf dem zugefrorenen Baikalsee werde ich nie vergessen!
Wie sieht Ihr Programm an den jeweiligen Haltepunkten aus – machen Sie Sightseeing wie ein normaler Tourist?
Oft bleiben wir lediglich eine Nacht und erkunden den Ort am Abend und am darauffolgenden Morgen und fahren dann weiter. An vielen Orten bleiben wir aber auch zwei oder drei Nächte und unsere Aktivitäten hängen von den jeweiligen Orten ab: In Äthiopien haben wir die einheimischen Stämme – deren Frauen Tellerlippen haben – besucht, im Oman Wüstentouren gemacht und Bergdörfer angeschaut, im Iran die wunderschönen Städte der Seidenstraße für uns entdeckt und in Japan sind wir im Pulverschnee Ski gelaufen. In Mexiko haben wir Maya Tempel im Dschungel besucht, in Zentralamerika Vulkane bestiegen und an den Karibikstränden traumhaft entspannende Tage verbracht.
Sie haben den Pazifik überquert – liegt nun der schwierigste Teil der Reise hinter Ihnen?
Aus meiner Sicht war die Kälte Sibiriens und der Mongolei der schwierigste Teil, gemeinsam mit den Kommunikationshürden in Asien. In Zentral- und Südamerika ist das Wetter wesentlich freundlicher und ich kann mit den Menschen in ihren Sprachen kommunizieren – das macht viele Dinge wesentlich leichter. Eine Herausforderung, die noch vor uns liegt, ist die Verschiffung unseres Fahrzeugs von Panama nach Kolumbien. Auch wenn es eine Landbrücke zwischen Panama und Kolumbien gibt, existiert dort keine Straße, da es ein Brennpunkt des Drogenhandels ist.
Gibt es etwas, was Sie auf Ihrer Reise durch die verschiedensten Länder vermissen?
Menschen, die mir nahe sind – meine Freundin, meine Mutter und mein Bruder und einige enge Freunde. Darüber hinaus vermisse ich es ab und zu, einfach einmal längere Zeit an einem Ort bleiben zu können.
Als was würden Sie sich selber bezeichnen – Abenteurer? Fußballfan? Völkerkundler? Tourist?
Als neugierigen Weltenbummler und Entdecker
Was werden Sie als erstes machen, wenn Sie in Rio de Janeiro ankommen?
Ich werde Freunde wiedertreffen und hoffentlich mit dem Gleitschirm über die Christus-Statue fliegen.
Haben Sie auch ein Ticket für ein WM-Spiel?
Ich habe Tickets für alle Spiele der deutschen Mannschaft, solange sie im Turnier sind.
Infos zur Person: Florian Keller ist in Nairobi/Kenia Geschäftsführer von Enchanting-Africa, einer Agentur für Individualreisen in Afrika. Auf seinem Trip von Kenia nach Brasilien durchquert der 41-Jährige innerhalb von 200 Tagen 25 Länder und legt dabei insgesamt 40.000 Kilometer zurück Auf seiner Reise begleiten ihn verteilt auf zehn Teilabschnitte 20 Kollegen und Freunde. Unterwegs sammelt er Spenden für den „Jubilee Scholarship Fund“, um die Schulausbildung bedürftiger kenianischer Kinder zu unterstützen. Dabei verdoppelt er jeden eingegangenen Spendenbetrag aus eigener Tasche. Mehr Informationen unter: www.afrikanachbrasilien.de/jubilee-scholarships.html
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Vielen Dank für die schönen Impressionen und Infos! Lässt sich so eine Tour wohl auch mit einem Jeep Avenger umsetzen? Herzliche Grüsse