DMZ: Rundgang durch den koreanischen Todesstreifen

Nirgendwo kommst du Nordkorea so nahe wie in der Demilitarisierten Zone (DMZ) beidseitig der innerkoreanischen Grenze. Hier erzähle ich dir, was ich im koreanischen Todesstreifen erlebt habe und gebe dir praktische Tipps, wenn du Nordkorea ebenfalls aus nächster Nähe sehen willst.

Es ist früh am Morgen. Die dunkeln Wolken hängen bedrohlich tief. Es ist, als wüsste das Wetter, dass ich mich heute in den Grenzstreifen zwischen Nord- und Südkorea begebe; dass ich einen der ganz wenigen Orte der Welt besuche, wo der Kalte Krieg auch 25 Jahre nach dem Fall der Sowjetunion nicht zu Ende ist.

Ich sitze in einem kleinen Bus, der sich gegen den heftigen Regenfall wacker Richtung Norden kämpft. Die Fahrt ist ungemütlich. Obwohl wir uns auf einer Autobahn befinden, spüre ich jede Unebenheiten im Strassenbelag. Vielleicht ist unser Bus alt, vielleicht habe ich auch einfach zu wenig geschlafen.

Neben dem Fahrer steht unsere koreanische Reiseleiterin mit dem Mikrofon in der Hand. Frau Park bittet uns, durch das Fenster auf der linken Seite zu sehen. Vor dem breiten Fluss steht ein Zaun, der immer wieder von Wachtürmen unterbrochen wird. „Nordkorea hat schon mehrmals versucht, mit Unterseebooten in unser Land einzudringen“, erzählt sie.

Dann beginnen 50 Minuten Schauergeschichten über das nordkoreanische Regime. Viele davon sind wohl wahr. Und doch kann ich den Eindruck nicht verwehren, dass wir gezielt auf emotionaler Ebene angesprochen werden sollen, um die bei den meisten bereits vorhandene Abneigung gegenüber dem Norden noch etwas zu verstärken.

Der Sonderzug ins Nirgendwo

Zunächst halten wir an einer Eisenbahnbrücke, welche die beiden Koreas verbindet. Dort steht eine alte Dampflok, die während des Koreakriegs in die Luft gejagt wurde. Anschliessend geht es weiter zum Bahnhof Dorasan, der unsinnigerweise mitten in der Militärzone gebaut wurde.

Diese Dampflok war während des Koreakriegs vor rund 70 Jahren in die Luft gejagt worden.
Diese Dampflok war während des Koreakriegs vor rund 70 Jahren in die Luft gejagt worden.
Befremdender Neubau: Die Dorasan-Station mitten in der Demilitarisierten Zone.
Befremdender Neubau: Die Dorasan-Station mitten in der Demilitarisierten Zone.

Frau Park erklärt, dass dieser Neubau ein Zeichen der Hoffnung sei. Sobald sich die beiden Koreas wieder vereinigt haben, würden hier die regulären Züge nach Pjöngjang halten. Das wird wohl nicht so schnell der Fall sein. Immerhin: In die andere Richtung gibt es schon heute mehrere tägliche Verbindungen.

Laut Frau Park ist es für westliche Touristen möglich, mit dem Zug von Seoul hierher zu fahren. Aber da wir uns in der Militärzone ausserhalb unserer Tour nicht frei bewegen dürfen, ist das wohl eine Falschinformation.

Korea-Spotting: Auf zur Plattform!

Das nächste Ziel, das wir ansteuern, ist die Dora-Plattform. Bei gutem Wetter ist es von dieser Erhöhung möglich, tief nach Nordkorea hineinzusehen. „Da drüben erkennt ihr das nordkoreanische Propagandadorf“, sagt Frau Park und zeigt in die Ferne. Tatsächlich ist im bewaldeten Tal etwas zu erkennen, das der bekannte 160 Meter hohe Fahnenmast sein könnte. Aber alles verschwindet gespenstisch im Nebel.

Eigentlich heisst das Propagandadorf Kijŏng-dong, wird aber von nordkoreanischer Seite als „Friedensdorf“ bezeichnet. Ein ähnliches Dorf befindet sich auch auf südkoreanischen Seite der Grenze und hat den Beinamen „Freiheitsdorf“. Die verbitterten Feinde scheinen sich ähnlicher zu sein, als ihnen lieb ist.

Freier Blick ins graue Nordkorea.
Freier Blick ins graue Nordkorea.
Die Plattform ist ein heute in erster Linie eine Touristenattraktion.
Die militärische Dora-Plattform ist eheute in erster Linie eine Touristenattraktion.

„In dem Dorf leben nur Armee-Angehörige“, erzählt Frau Park. Die Häuser seien für Nordkorea überdurchschnittlich schön und gross – um den Süden von den wirtschaftlichen Erfolgen des Nordens zu überzeugen. „Aber in Wahrheit ist alles nur eine Kulisse. Nachts gehen die Lichter jeden Tag nach genau dem gleichen Muster an und aus.“

Platzangst im Dritten Infiltrationstunnel

Der letzte Punkt auf unserer Tour ist der Dritte Infiltrationstunnel. Den rund 1,7 Kilometer langen Tunnel hatte das nordkoreanische Militär unter der Grenze hindurch graben lassen – vermutlich um einen Überraschungsangriff auf den Süden zu starten. Dazu kam es nicht, da das rund 73 Meter unter der Erde verlaufene Bauwerk 1978 vor der Fertigstellung entdeckt wurde. Angeblich, weil das Grundwasser plötzlich stark sank.

Bevor wir in den Tunnel gehen, müssen wir uns einen Film anschauen, bei dem Nordkorea weiter dämonisiert wird. Anschliessend müssen wir unsere Tasche in einem Schliessfach abgeben, durch einen Metalldetektor gehen und einen Helm schnappen. Über eine steil verlaufende Rampe erreichen wir den Tunnel.

Seine Oberfläche ist uneben. Immer wieder ragen Felsen vor. Ich kann nicht aufrecht gehen und muss in gebückter Haltung weiterlaufen. Immer wieder schlage ich mit dem Helm in die tiefe Decke. Es ist eng und feucht. Trotzdem ist der Tunnel gross genug, um in einer Stunde 30.000 leicht bewaffnete Soldaten unter der Grenze durchzuschmuggeln.

Wohl bis auf Weiteres Wunschdenken: Skulptur vor dem Infiltrationstunnel.
Wohl bis auf Weiteres Wunschdenken: Skulptur vor dem Infiltrationstunnel.

Nach etwa zehn Minuten ist der Weg mit einem Betonklotz und jeder Menge Stacheldraht versperrt. Nun befinde ich mich nur noch wenige Meter von der Grenze entfernt. Irgendwann, denke ich mir, werde ich die Chance haben, mir auch den Norden anzusehen. Ich mache kehrt und bereite mich auf den Besuch des Souvenirladens vor.

Praktische Tipps

  • Wähle die richtige Tour: Als ich zugesagt habe, war mir nicht klar, dass es verschiedene Touren gibt. Die DMZ-Tour, die ich hier beschrieben habe, bringt dich zum Bahnhof, zur Aussichtsplattform und zum Tunnel. Bei der (meiner Meinung nach interessanteren) Panmunjeom-Tour besuchst du im Wesentlichen den Ort, wo der Waffenstilstand unterzeichnet worden ist sowie einen Ort, wo nordkoreanische Soldaten zwei südkoreanische Militärs mit der Axt erschlugen, weil sie ohne Bewilligung Bäume gestutzt hatten. Zudem gibt es eine Ganztagestour, die alle diese Ziele kombiniert.
  • Buche rechtzeitig: Da die Touren in die Grenzzone kontingentiert sind, musst du mit mehreren Tagen Wartezeit rechnen. Bei meinem Besuch war die Panmunjeom-Tour etwa auf zwei Wochen ausgebucht. Aber das hängt wohl auch von der Jahreszeit ab.
  • Kleide dich respektvoll: Laut den Infos, die ich vor der Tour erhalten habe, besteht auf der Tour ein Dress-Code. Zerrissene Jeans,  Hosen im Army-Look, Sandalen oder Flipflops und zu viel Haut können dazu führen, dass du abgewiesen wirst. Da in meiner Gruppe alle dezent gekleidet waren, kann ich nicht beurteilen, wie streng das tatsächlich durchgesetzt wird. Offiziell müssen Besucher sogar gekämmt sein.
  • Bringe deinen Reisepass mit: Um in die entmilitarisierte Zone zu gelangen, musst du deinen Reisepass zeigen. Das ist sehr wichtig, da du andernfalls nicht reingelassen wirst. Auf unserer Tour hatte jemand seine Ausweise vergessen und wurde wieder zurückgeschickt. Auf unserer Tour wurden wir noch vor der Abfahrt beim Hotel extra daran erinnert, den Pass auch wirklich mitzubringen.
  • Nimm die Kamera mit: Zwar ist das Fotografieren an verschiedenen Orten auf der Tour untersagt (zum Beispiel im Innern des Infiltrationstunnels – wobei ich Touristen gesehen habe, die sich unbehelligt über das Verbot hinwegsetzten). Aber es gibt genügend andere Ecken, wo du offiziell knipsen darfst.

Fazit

Vor der Reise wollte ich die Demilitarisierte Zone unbedingt besuchen. Nach der DMZ-Tour habe ich ein etwas ambivalenteres Gefühl. Der Ausflug lief sehr routiniert ab und zu keiner Zeit hatte ich das Gefühl, mich an einem gefährlichen Ort zu befinden. Das Spektakuläre war letzten Endes, wie unspektakulär alles war. Interessant war es aber auf alle Fälle.

Hinweis: Die Tour war von Holidayplanners durchgeführt und der Koreanischen Zentrale für Tourismus zur Verfügung gestellt worden. Auf die Art meiner Berichterstattung hatte diese Einladung jedoch keinen Einfluss.

Zum ersten Mal hier? Dann lese hier, worum es in diesem Blog geht. Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, dann solltest du dich unbedingt beim monatlichen Newsletter einschreiben, damit du künftig nichts mehr verpasst.

 

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Oliver Zwahlen

Oliver ist ein passionierter Reiseblogger und Reisebuchautor aus der Region Basel, Schweiz. Er schrieb unter anderem die Bücher 111 Gründe, China zu lieben und Lost Places in den Schweizer Alpen. Seit über 20 Jahren nutzt Oliver jede Gelegenheit, mit dem Rucksack durch die Welt zu ziehen und darüber zu schreiben..

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8 Kommentare

  1. Ist schon interessant dass Reisen in die Dmz überhaupt möglich sind. Die Komödie über den nordkoreanischen Diktator wurde doch mehrfach entschärft weil der Sony Boss Angst vor Angriffen aus Nordkorea hatte.

    Die Grenze ist natürlich sehr interessant da dort der letzte echte Kommunismus auf ein aufstrebendes High Tech Land trifft.

    Natürlich wird Nordkorea verteufelt genau wie der Islam. Die wenigsten Leute setzen sich wirklich damit auseinander welche Gräuetaten „der Westen“ im Kampf gegen den bösen Kommunismus getan hat.

    1. Ich denke, dass dieser Tourismus auf Grund einer Übereinkunft stattfindet, die beiden Seiten etwas Einnahmen verschafft. (Die Touren sind nämlich nicht ganz billig für das, was geboten wird…) Interessant ist ja, dass es ähnliche Touren auch auf der nordkoreanischen Seiten gibt.

  2. Hi, Oli. Super Bericht.

    Ich habe vor ein paar Jahren auch eine Tour zur DMZ gemacht. Ich war auch in den Tunneln, Dorasan und auch in Panmunjeom. Damals war Kim Jon Un noch nicht an der Macht und es gab noch Kooperationen zwischen Nord- und Südkorea, etwa in Kaesong, wo sogar Südkoreaner arbeiteten. Das wurde aber mitlerweile eingefroren.

    Die Tour scheint sich im wesentlichen nicht verändert zu haben. Ich fand das alles auch sehr interessant, allein schon wegen einer gewissen Ähnlichkeit zur deutschen Teilung. Es werden auch viele interessante Geschichten und Anekdoten erzählt. Wie du aber schon geschrieben hast, merkt man dabei jedoch deutlich, wie verhärtet die Fronten wirklich sind. Viele der vom Tour-Guide erzählten Anekdoten zielten darauf hinaus, Nordkorea als extrem bösen Nachbarstaat zu stigmatisieren.
    Trotzdem kann ich jedem empfehlen die Tour zu machen. Ich finde auch die Ganztagestouren am besten. Ich habe damals eine Tour mit der USO (United Service Organizations) gebucht. Die gibt es immer noch. http://www.koridoor.co.kr/bbs/board.php?bo_table=travelInfo&wr_id=221

    Super gerne würde ich auch einmal die gleiche Tour von Nordkorea aus durchführen. Habe da auch schon bei einigen Blogger-Kollegen Berichte drüber gelesen. Das ist mitlerweile einfacher, da Nordkorea sich mehr für internationale Touristen geöffnet hat. Allerdings kostet das schon einiges.

    Wer mehr von Nordkorea sehen will, dem empfehle ich Journalisten wie David Guttenfelder, z.B. auf Instagram (@dguttenfelder), zu folgen. Dieser war schon öfter in Nordkorea unterwegs und seine Berichte und Fotos über das Land und dessen Einwohner sind sehr authentisch und beeindruckend.

    1. Interessant fand ich ich die Tour auf alle Fälle. Aber am Ende war das Gefühl doch ein bisschen ambivalent. Irgendwie ist es doch auch irritierend zu sehen, dass ein Kriegsschauplatz so einen Touristenrummel entwickeln konnte.

  3. Ich muss zugeben, dass ich mir das DMZ wenn ich vor Ort wäre wohl auch ansehen würden. Erinnert mich immer ein wenig an die deutsche Spaltung.

  4. Danke für den Bericht. Ich bin im Oktober eine Woche da drüben und will auch die DMZ besuchen. Welchen Anbieter hattest du gewählt? Ich habe gute Angebote auf Viator gefunden – hat einer Erfahrungen damit?
    Und noch eine Frage zu Korea allgemein: Wie ist es dort mit Bargeldbeschaffung. Auf einigen Sieten steht, man kriegt das problemlos an Automaten, bei anderen steht man könne Probleme haben und soll Bargeld zum Wechseln mitnehmen.

    1. Hallo Andreas,

      Die Tour war von Holiday-Planers organisiert worden. Den Link dazu findest du ganz unten im Text. Da ich eingeladen wurde, habe ich die Angebote nicht so genau verglichen. Welchen Anbieter du wählst, spielt aber vermutlich eh keine Rolle, weil die eigentliche Tour ja vom Militär organisiert wird. Bei uns sah das dann so aus, dass wir in einem Minibus zur DMZ gefahren wurden und dort in einen grossen Bus umsteigen mussten.

      Zum Thema Bargeldbeschaffung empfehle ich dir, meine zehn Korea-Tipps durchzulesen. In Punkt 10 geht es genau um dieses Thema. Siehe dazu hier: https://weltreiseforum.com/blog/suedkorea-zehn-fragen-die-du-dir-vor-der-reise-stellst/

      Gruss,
      Oli

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