Auswandern nach Tobago: „Hier ist kein typisches Auswanderungsland“

Blick auf das karabische Paradies: Josefa Patience lebt seit vielen Jahren auf Tobago.
Blick auf das karabische Paradies: Josefa Patience lebt seit vielen Jahren auf Tobago.

Die Liebe hat Josefa Patience auf die karibische Ferieninsel Tobago gebracht. Nach 14 Jahren ist die 62-Jährige ernüchtert. Geblieben ist sie trotzdem, schliesslich muss sich jemand um ihre Ziegenfarm kümmern. Nun hat die Deutsche ein Buch geschrieben, in dem sie das Paradies kritisch beleuchtet.

In unserer Reihe „Auswandern nach…“ hatten wir vor kurzem zwei junge Frauen interviewt, die es jeweils nach Neuseeland und in die USA verschlagen hat. Heute erzählt uns Josepha Patience von ihrem Leben auf der Trauminsel Tobago, das durchaus auch ihre Schattenseiten hat. Wenn du dich für Tobago und Trinidad interessierst, empfiehlt sich auch ein Blick in unseren entsprechenden Forenbereich.

Weltreisemagazin: Josefa, was hat dich auf Tobago verschlagen?

Josefa Patience: Nachdem ich den Song Calypso Blues von Nat King Cole gehört hatte, wollte ich unbedingt nach Trinidad gehen. Als Jazzsängerin interessierte ich mich für Musik und ich wollte mir die Steel  Drums live anhören. Auf der Reise habe ich meinen späteren Mann kennen gelernt. Zusammen sind wir nach Tobago gegangen, wo wir ein brachliegendes Anwesen mit einer 350 Jahre alten Zuckerfabrik besuchten und beschlossen, das ganze wieder zum Leben zu erwecken. Nach drei Ehejahren in Deutschland haben wir es geschafft, auf seine kleine Insel zurückzukehren. Es war genügend ungenutztes Land vorhanden, um eine Ziegenzucht zu beginnen. Mir war bei den Besuchen der Insel  nämlich aufgefallen, dass es keinen guten Käse gab und auch sonst wenig Milchprodukte.

Du schreibst auf deinem Blog „Goatlady Tobago„, dass du die Insel seit Jahren nicht mehr verlassen konntest.

Die Ziegenfarm mit  ihrer Feta-Käse- und Joghurtproduktion  ist der Grund, warum ich die Insel  in all den Jahren nie wieder verlassen konnte. Nach nicht einmal  zwei Jahren auf der Insel hatte mich nämlich mein Mann verlassen. Mit einer emsigen Deutschen, die ihn auch noch zu regelmäßiger Arbeit animieren wollte, konnte er nicht leben. Meine Herde von mehr als fünfzig Ziegen und all die anderen  Tiere kann ich nicht alleine lassen.

Konntest du keine Vertrauensperson finden, die dich vertreten hätte?

Trinidader und Tobagonier sind in der Regel nicht sehr verantwortungsbewusst, zumindest habe ich keine kennengelernt.  Das  „Liming“ (so nennt man hier das süße Nichtstun und Herumhängen) und  die Trägheit der Inselbewohner bei der Arbeit lassen kleine private Unternehmen verzweifeln. Dazu kommt, dass Trinidad und Tobago im Gegensatz zu anderen karabischen Inseln kein armer Staat ist. Es gibt Öl- und Gasvorkommen. Die Regierung hat genug Geld, um mit verschiedenen Sozialprogrammen Arbeitsunwillige zu unterstützen. Niemand ist richtig arm.  Hier auf Tobago ist zudem noch ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung bei den verschiedenen Regierungsinstitutionen beschäftigt, wo man für wenige Arbeitsstunden einen ganzen Tageslohn bekommt. Dies führt dazu, dass private Unternehmen kaum Arbeitswillige finden. Wer will schon acht Stunden schuften, wenn er bei der Regierung mit zwei Stunden Arbeit durchkommt.

Josefa Patience kümmert sich um den Ziegenbock Till.
Josefa Patience kümmert sich um den Ziegenbock Till.

Tobago steht zum einen für paradiesische Strände. Zum anderen soll sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren massiv verschlechtert haben. Was sind deine Erfahrungen?

Tobago hat nicht nur paradiesische Strände, sondern auch eine atemberaubende Natur, in der jeder Ornithologe und  Botaniker auf seine Kosten kommt. Die Sicherheitslage hat sich in touristischen Gebieten tatsächlich sehr verschlechtert: Viele möchten ihr Geld einfach und schnell machen und ein Menschenleben bedeutet nicht viel. Dazu kommt die oben beschriebene Trägheit bei der Arbeit, von der natürlich auch der Polizeiapparat heimgesucht wird. Die Aufklärungsrate ist gering und die Gauner werden immer mutiger. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass die meisten Übergriffe in Trinidad stattfinden. Dort gibt es Bandenkriminalität und alles dreht sich um das Drogen und Waffen. In der Statistik werden die beiden Schwesterinseln in einen Topf geworfen.

Du hast ein Buch geschrieben, in denen du Auswanderungswilligen zeigen willst, dass das Leben hier auch seine Schattenseiten hat. Sind die Neuankömmlinge zu naiv?

Ja, ich habe das Buch geschrieben, um vor allem Menschen, die der Liebe wegen in der Karibik bleiben wollen, Stoff zum Nachdenken zu geben. Ich spreche von der „Karibik“, weil ich der Meinung bin, dass dies auch auf andere Länder und Inseln in dieser Region zutrifft.  Als an Sicherheit gewohnte Deutsche ist es sicher nicht einfach, ins „Blaue“ zu leben wie es hier viele tun. Viele Partnerschaften, die in unserem Heimatland mit dem hiesigen Partner funktioniert haben, scheitern sobald  nach der Einwanderung im Paradies der Alltag einkehrt. Nur ganz wenige Auswanderer würde ich als naiv bezeichnen. Eventuell  trifft dies auf ganz junge Menschen zu, wie ich in vielen Foren lesen kann. Ältere Menschen mit Lebenserfahrung wissen in etwa, was auf sie zukommt.  Auch ich wusste von der Trägheit der Inselbewohner und das alles nicht so läuft wie bei uns.

Was machen deiner Meinung nach die meisten Neuankömmlinge falsch?

Neuankömmlinge glauben oft, dass sie als gut arbeitende und fleißige Personen schnell einen Job finden und viel Geld verdienen können. Wenn sie dann einen der wenigen Jobs ergattert haben, müssen sie schnell erfahren, dass die Einheimischen die ausländische Konkurrenz oftmals mit miesen Tricks  wieder loswerden wollen. Man braucht hier keine schnell und umsichtig arbeitenden Menschen, diese stellen nur die vorherrschende Geschwindigkeit bei der Arbeit in Frage. Vor allem ist aber die hiesige Währung, der T&T-Dollar, für Ausländer nicht interessant: Nur akademische Berufe und Jobs bei der Regierung werden zufriedenstellend bezahlt und auch hier nur in Bereichen, wo man vor Ort nicht die nötigen Fachkräfte findet.

Für wen eignet sich Tobago als Auswanderziel besonders?

Ich würde Tobago nicht als typisches Auswanderungsland bezeichnen. Vor allem für junge Menschen gibt es hier nicht viel zu erleben. Die Insel ist zu klein.

Wie erlebst du die Integration im Land? Fandest du leicht Kontakte? Wie ist der Zugang zu der einheimischen Bevölkerung?

Für mich war es nicht schwer, einheimische Kontakte zu finden. Durch meine Arbeit auf der Farm und die Ziegenzucht hatte ich sofort Anschluss und Kontakt mit einheimischen Farmern. Ich bin den örtlichen Organisationen und Verbänden beigetreten und habe mir in meinem Bereich einen Namen gemacht.  Man kennt mich hier und akzeptiert mein striktes Verhalten. Für viele jüngere Menschen bin ich auch eine Anlaufstelle, wo sie Beratung  für eine eigene Ziegenzucht suchen. Im Großen und Ganzen werden Ausländer respektiert, wenn sie sich nicht daneben benehmen. Wir müssen uns natürlich anpassen und das typisch Deutsche etwas kaschieren. Ich mache nur meinen Mund auf, wenn  mir die Schlamperei zu sehr schadet oder wenn etwas gegen ethische Prinzipien verstößt. Ich habe in meinem Buch „NEUSTART IM PARADIES – Mein Leben in Tobago“ auch darüber berichtet. Vor allem darüber, wie wir nie richtig dazu gehören, egal wie sehr wir uns anstrengen.

Du bist nun schon so lange in Tobago. Ist das der Ort, wo du den Rest deines Lebens verbringen willst?

Ich kann mir nicht vorstellen, noch einmal in Deutschland zu leben. Alleine schon wegen des Klimas. Hier habe ich das ganze Jahr über Sonne und vor allem bin ich bei dem, was ich mache, sehr frei. Deutschland mit seinen Bestimmungen und Gesetzen in jedem Bereich lässt doch die kleinen Unternehmen aussterben. Die Käserei, die ich hier betreibe, könnte ich in meiner alten Heimat nie führen. Es ist zwar alles nach den besten hygienischen  Bestimmungen eingerichtet, dennoch ist das für Deutschland nicht genug. Aberverreisen möchte ich mal wieder können, mir die anderen Inseln der Karibik anschauen oder auch Teile von Südamerika, mal wieder meine Familie in Deutschland besuchen. Das wäre schön. Im Großen und Ganzen kann ich sagen: Schade dass ich so spät auf die Insel kam. Ich war bereits 47 Jahre alt. Etwas jünger sollte man schon sein, denn wenn man nicht über große finanzielle Mittel verfügt dauert  es lange bis man sich etabliert hat mit einem Geschäft wie ich es betreibe. Ich hätte sicher noch einiges mehr schaffen können mit meiner Kraft und Ausdauer die ich als jüngere Frau hatte. Allen Auswanderungswilligen möchte ich somit sagen den richtigen Zeitpunkt zu finden ist wohl das Wichtigste. Man darf nicht zu jung sein aber auch nicht zu alt. Schaffen kann man fast alles, man muss nur richtig wollen.

tobagobuchLesetipp: Neustart im Paradies

Josefa Patience hat ein Buch über ihr Leben über ihr Leben in der Ziegenfarm auf Tobago geschrieben. Zwischen den Buchdeckeln  gibt sie Auswanderungswilligen jede Menge Tipps. In ihrem Buch, das sie als Blog begonnen hat, beschreibt sie den Alltag, die Natur, ihre Arbeit mit den Tieren, der Milchverarbeitung und ihre Sichtweise der fremden Kultur in ihrem “Paradies mit kleinen Fehlern”. Für mehr Infos zum Buch bitte auf Bild klicken.

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Oliver Zwahlen

Oliver ist ein passionierter Reiseblogger und Reisebuchautor aus der Region Basel, Schweiz. Er schrieb unter anderem die Bücher 111 Gründe, China zu lieben und Lost Places in den Schweizer Alpen. Seit über 20 Jahren nutzt Oliver jede Gelegenheit, mit dem Rucksack durch die Welt zu ziehen und darüber zu schreiben..

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