Fünf Thesen zur Zukunft der Mobilität

Von der Pferdekutsche zum Düsenjet: Die Mobilität hat in den vergangenen hundert Jahren einen gewaltigen Wandel durchlaufen. Wie werden wir in zwei bis drei Generationen unterwegs sein? Gedanken zur Zukunft der Mobilität und eine Einladung zur Blogparade.

Als Reiseblogger habe ich ein ambivalentes Verhältnis zur Mobilität. Einerseits freue ich mich über die Chance, mich global zu vernetzen und fremde Kulturen aus nächster Nähe kennenzulernen. Andrerseits sehe ich auch, dass der immer stärker werdende Tourismus Probleme mit sich bringt.

In diesem Beitrag denke ich darüber nach, wie wir uns in 50 Jahren fortbewegen und wie wir reisen. Werden wir noch fliegen oder werden wir uns von Ort zu Ort beamen? Wird die Welt unseren Tourismus noch tragen können? Oder ändert sich vielleicht am Ende doch nicht so viel?

Prognosen haben an sich, dass sie in der Regel falsch sind – auch meine. Deswegen will ich hier nicht nur meine (teilweise gewagten) Thesen vorstellen, sondern auch euch zu Wort kommen lassen. Am Ende dieses Beitrags findet ihr einen Aufruf zur Blogparade. Nun aber zu meinen fünf Prognosen:

1. Flugzeuge werden umweltfreundlicher als Züge

Heute ist die Fliegerei unbestritten der ultimative Klimakiller. In 50 Jahren wird das nicht mehr so sein. Im Gegenteil: Wir werden aus Gründen des Umweltschutzes vermehrt ins Flugzeug beziehungsweise dessen Nachfolger steigen. Wieso?

Schauen wir uns die langfristigen Trends an, zeigt sich ein interessantes Muster. Dank leichterer Materialien, besserer Aerodynamik und effizienterer Triebwerke ist der durchschnittliche Energieverbrauch von Flugzeugen in den vergangenen 50 Jahren etwa um die Hälfte gesunken.

Bei der Eisenbahn – dem einzigen absehbaren Konkurrenten auf Mittel- und Langstrecken – sieht der Trend genau umgekehrt aus. Der Grund: Damit Züge konkurrenzfähig bleiben, müssen sie immer schneller fahren. Da Schnellstrecken wenige Haltestellen haben, legen wir heute für die gleiche Distanz oft mehr Kilometer zurück als noch unsere Eltern.

Den Energieverbrauch einzelner Verkehrsmittel miteinander zu vergleichen, ist aus methodologischen Gründen immer schwierig. Trotzdem ist interessant zu sehen, dass ein Flugzeug und ein ICE bereits heute viel näher zusammenliegen, als wir gefühlsmässig annehmen würden. Diese ausführliche Berechnung nennt den Faktor 1,7.

Das grösste Problem bei Flugzeugen ist daher nicht die Höhe des Energieverbrauchs, sondern dass Emissionen in einem klimawirksamen Teil der Atmosphäre ausgestossen werden. Sobald es uns aber gelingt, Passagierjets klimaneutral anzutreiben, dürften Flugzeuge aus umweltpolitischer Sicht ein Revival erleben.

Denn für eine Bewegung durch die Luft spricht einiges: Zum Beispiel die Möglichkeit, relativ direkt zu fliegen. Aber auch der schwindende Platz auf der Erdoberfläche. Wenn Verkehr und Bevölkerung weiter so rasant zunehmen, werden wir irgendwann schlicht keinen Platz mehr haben für Schienen oder Autobahnen.

2. Privater und öffentlicher Verkehr verschmelzen

Heute sind der private und der öffentliche Verkehr zwei weitgehend getrennte Sphären. In 50 Jahren wird es diese Unterscheidung nicht mehr geben. Auslöser des Wandels sind die selbstfahrenden Autos.

Sobald die Chauffeure kein wichtiger Kostenfaktor mehr sind, wird sich der Verkehr mit kleineren Fahrzeugeinheiten als heute atomisieren. Grosse Linienbusse wird es nicht mehr geben, sondern lediglich kleine Fahrzeuge, die ihre Route – über einen zentralen Computer gesteuert – nach den aktuellen Bedürfnissen der Passagiere einrichten.

Das erübrigt nicht nur das lästige Umsteigen und verkürzt die Wartezeiten, sondern erlaubt auch direktere Wege. Da die Fahrzeuge der Zukunft nach Bedarf verkehren und je nach Passagierzahl ein kleiner oder grösserer Bus kommt, wird die Sitzbelegung steigen. Das senkt Kosten, schont die Umwelt und entlastet die Verkehrswege.

Da die zunehmende Verbreitung von selbstfahrenden Fahrzeugen die von Menschen gesteuerten Autos von den Strassen verdrängt, unterscheiden sich der öffentliche und der private Verkehr irgendwann praktisch nur noch durch den Preis. Es ist anzunehmen, dass immer weniger bereit sind, diesen zu bezahlen.

3. Die Rolle von Fahrstühlen im Nahverkehr nimmt zu

2040 sollen laut Prognosen 70 Prozent der Menschen auf unserem Planeten in urbanen Räumen leben; heute sind es knapp 40 Prozent. Da aus umweltpolitischer Sicht die Zersiedlung eines der grössten Probleme ist, werden wir nicht darum herumkommen, die Einfamilienhausgebiete einzuschränken und stattdessen vermehrt in die Höhe zu bauen.

Das heisst, dass in 50 Jahren auch unsere Städte aussehen wie amerikanische und asiatische Metropolen. Das klingt für viele zunächst wenig attraktiv. Aber höhere Wohneinheiten haben eine ganze Reihe von Vorteilen.

Der wichtigste ist wohl, dass sie in ihrem Inneren eine vielfältige Infrastruktur erlauben. Ab einer bestimmten Grösse ist die Nachfrage so gross, dass Lebensmittelläden, Wäschereien nnd Restaurants in einem Wohnblock überleben können. Das führt dazu, dass wir uns vermehrt vertikal in Fahrstühlen und zu Fuss bewegen.

4, Virtueller Tourismus wird wichtiger

Bereits heute leiden viele touristische Hotspots unter dem gewaltigen Andrang. Die Cinque Terre in Italien diskutieren über eine Beschränkung der Besucherzahlen. Venedig fährt teure Werbekampagnen, um Tagestouristen von der Lagunenstadt fernzuhalten. Machu Picchu hat erst kürzlich die maximale Aufenthaltsdauer eingeschränkt und die Höhlenmalerien von Lascaux sind längst nicht mehr zugänglich.

Wenn sich immer mehr Menschen aus den heutigen Drittweltländern touristische Reisen leisten können, wird zwangsläufig die Zahl der Städte und Sehenswürdigkeiten zunehmen, die versuchen mit hohen Preisen oder über Verlosungen die Zahl der Besucher zu regulieren.

Gleichzeitig werden die Möglichkeiten der Virtual Reality immer vielfältiger. Wieso nicht mit einer VR-Brille regelrechte Abenteuer in anderen Kulturen erleben oder gar zurück ins Jahr 2017 reisen?

Klar werden die künstlichen Realitäten die echten Orte nicht ersetzen. Venedig in Las Vegas und Hallstadt in China tun das ja auch jetzt nicht. Aber der Anteil von virtuellen Reisen dürfte in den kommenden Jahren trotzdem zunehmen, weil die Originale immer schwerer zugänglich sind.

5. Es wird sich weniger ändern, als wir glauben

Seit der Zeit unserer Grosseltern hat sich unglaublich viel verändert – und könnten wir ans Ende dieses Jahrhunderts reisen, wären wir möglichweise gar nicht mehr in der Lage, uns dort zurechtzufinden.

Trotzdem wird sich nicht alles verwirklichen, was möglich ist. Es wird nicht einmal alles eintreffen, was wünschenswert wäre. Da wir (insbesondere hier in Europa) eher fortschrittsfeindlich sind, werden nur die Technologien kommen, die sich in kleinen Schritten durchsetzen.

Die Swiss Metro ist das beste Sinnbild dafür. Bei dieser bahnbrechenden Technologie wären Magnetschwebebahnen mit sehr hoher Geschwindigkeit durch luftleere Tunnels geschossen. Vision pur! Doch nach jahrelangen Abklärungen wurde das Projekt als nicht finanzierbar fallen gelassen.

Aber auch deutlich kleinere Neuerungen haben oft einen schweren Stand. Ich kenne viele Leute, die noch nie auf einem Sagway standen oder ein Problem damit erlebt haben. Trotzdem sind sie für ein Verbot dieses neuartigen Verkehrsmittels. Drohnen schlägt ein ähnlicher Wind entgegen.

Eine fortschrittliche Verkehrspolitik wird zudem praktisch überall durch ideologische Grabenkämpfe zwischen Autofahrern und Nutzern des öffentlichen Verkehrs verhindert. Dabei wäre es in jeder Hinsicht wünschenswert, die Vorteile von beiden Mobilitätsarten möglichst stark zu kombieren.

Weitere lesenswerte Artikel zum Thema

Ursprünglich wollte ich zum Thema „Zukunft der Mobilität“ eine Blogparade starten. Leider gab es kaum Blogger, die sich für das Thema interessierten. Trotzdem möchte ich hier weiterführende Ideen und Visionen sammeln. Solltest du also etwas zur Zukunft der Mobilität geschrieben haben, kannst du mir das gerne mitteilen und ich verlinke dich hier:

> Namida Magazin: Elektroauto – Bloß eine Modeerscheinung oder die Mobilität der Zukunft
> Womo Guide: Die Zukunft der Wohnmobile

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6 Kommentare

  1. Interessantes Thema. Ich denke ja besonders Punkt 4 wird immer spannender und hat noch unglaublich viel Potential. Ich bin erst vor kurzem, als ich beruflich auf einer Messe unterwegs war, durch eine VR Brille mit einer Trishaw durch Singapur geradelt worden. Neben visuellen Eindrücken die so dargestellt echt beeindruckend waren, gab es auch noch unterhaltsam die Geschichte zu den einzelnen Stadtteilen erzählt.

    Ein tolles Erlebnis für jeden der schon mal vor Ort war oder es mal gerne wäre!

    Will da jetzt auch gar nicht zu weit ausholen, da schreibe ich lieber die Tage einen neuen Beitrag und nehme mal an deiner Blogparade teil. ;-)

  2. Spannendes Thema. Vor allem Punkt 2 finde ich umsetzungswert. Darüber denke ich jeden Morgen nach, wenn ich 25 Kilometer mit meinem Pkw zur Arbeit fahre. Da ich in einer sehr ländlichen Gegend wohne, sind öffentliche Verkehrsmittel keine Alternative. Da wäre ich über 2 Stunden unterwegs, 1x Umsteigen und noch ca 3 Kilometer zu Fuß.
    Meiner Meinung nach könnten viel mehr Betriebe Homeoffice anbieten, wenigstens tageweise. Das würde den Berufsverkehr merklich entlasten.

  3. Guten Abend,

    Punkt 1 und 2 sind bereits erledigt. Nun noch Punkt 3: Hier ist unser Beitrag zu deiner Blogparade:
    http://www.namida-magazin.de/2017/08/Elektroauto-mobilitaet-der-Zukunft.html

    Ich habe meinen Mann gebeten für mich einen Gastbeitrag zu schreiben. Er setzt sich mit dem Thema Elekroautos schon seit Jahren auseinander und verfolgt die Entwicklungen. Und da Mobilität und Autos auch immer ein Thema für einen Reiseblog ist, passte das super. Er hat sich nur auf das eine Thema konzentriert, aber ich hoffe, das ist okay.

    Ich persönlich glaube auch, das E-Autos noch Zeit brauchen, um die Schwelle zur Alltagstauglichkeit zu erreichen und schließlich müssen auch Strom und die Akkus umweltfreundlich produziert werden.

    Zu deinen Thesen:

    Ich hoffe, dass sich virtueller Tourismus nicht durchsetzen wird. Reisen ist immer auch eine Bildungsreise und zeigt uns, dass unser Stand nicht das Maß aller Dinge ist. Reisen ist für mich Kennenlernen von Menschen und deren Kultur und trägt in meinen Augen zur Völkerverständigung und zum Frieden bei.
    Ich hoffe auch, dass weiterhin viele Menschen auf dem Land leben werden, da das Leben dort mMn gesünder ist. Ich wünsche mir eine Zukunft in der die Menschen sich wieder mehr auf ihre Wurzeln besinnen und im Einklang mit der Natur leben, nur so können Ressourchen geschont werden. Gigantisch hohe Betonbauten sind in meinen Augen kein Zugewinn. Eine erste These ist auch interessant. Vielleicht wird auch einfach noch ein neuer Treibstoff/Antrieb erfunden, der wirklich umweltfreundlich ist.

    Eines steht allerdings fest: Die Zukunft wird kommen und wahrscheinlich anders als wir es uns denken.

    Viele Grüße

    Myriam

    1. Hi Myriam,

      schön, dass du und dein Mann bei der Blogparade mitgemacht habt. Ich bin mit der Standpunktbestimmung zur Elektromobilität total einverstanden. Ich glaube auch, dass es heute sehr viel Idealismus braucht, um ein Elektroauto zu fahren – oder zumindest eine eigene Garage mit Ladestation. Im heutigen Zustand ist ein Elektroauto allerdings ein idealer Zweitwagen.

      Nebenbei frage ich mich auch immer, wie gut die Umweltbilanz von Elektrofahrzeugen tatsächlich aussieht. Gut, sie produzieren kein CO2 in den Städten. Aber die Energie muss ja trotzdem erzeugt werden und erzeugt dadurch Umweltschäden. Dazu kommt, dass Batterien Sondermüll sind und generell einen eher niederigen Wirkungsgrad haben.

      Ich glaube nicht, dass virtueller Tourismus das echte Reisen ersetzen wird. Aber ich kann mir vorstellen, dass er eine zunehmend wichtige Rolle spielen wird. Das sehe ich aber eher positiv, weil dadurch tolle Möglichkeiten entstehen. Im echten Rom kann ich nur ins heute reisen. Im VR-Rom kann ich auch zurück zur Zeitenwende und auf diese Weise ganze andere Dinge erleben.

      Die menschlichen Begnungen kann es natürlich nicht ersetzen. Aber wie stark die überhaupt vorhanden sind, ist ja auch so eine Frage. Bacelona, Venedig und Dubrovnik zeigen ja, dass Tourismus nicht unbedingt zur Völkerverständigung beiträgt. Wenn VR dazu beiträgt, dass vermehrt die Leute an die echten Orte gehen, die sich wirklich damit auseinandersetzen, ist vermutlich einiges gewonnen.

      Gruss,
      Oli

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