Tansania: „Touristen sind für die Krankenstation wichtig“

Christina Wallner besucht Kinder, die in einem ihrer Projekte betreut werden. Fotos: ZVG
Christina Wallner besucht Kinder, die in einem ihrer Projekte betreut werden. Fotos: ZVG

Die Wiener Ärztin Christine Wallner (69) zog vor einigen Jahren nach Tansania, um dort eine Krankenstation aufzubauen und Menschen in Not zu helfen. Über ihre Erlebnisse veröffentlichte die „weisse Heilerin“ vor kurzem ein Buch. Im jüngsten Interview des Monats erzählt sie von den Chancen und Schwierigkeiten in Afrika.

WRF: Frau Wallner, Sie führen in einer abgelegenen Gegend von Tansania eine Krankenstation. Worin besteht für Sie die grösste Herausforderung?

Christine Wallner: Beim Geldmangel. Wir behandeln arme Menschen aus der Region, die sich in der Regel keinen Arztbesuch leisten können. Deswegen sind wir auf Spenden angewiesen. Nicht nur für uns und unsere Dienstleistungen, sondern auch für den Fall, dass auswärts dringende Operationen gemacht werden müssen. Denn für diese müssen wir natürlich bezahlen. Es ist eine furchtbare Eingrenzung, wenn man eigentlich helfen könnte, es aber wegen des mangelnden Geldes nicht tun kann.

Inwiefern unterscheiden sich die Erkrankungen vor Ort von denen, die Sie aus Österreich kennen?

Tansania hat ganz andere soziale, wirschaftliche und klimatische Voraussetzungen als Europa. Wir werden beispielsweise häufig mit Augenerkrankungen wie dem Trachom konfrontiert, die sich auf den allgegenwärtigen Staub zurückführen lassen. Weil in den Häusern auf einem offenen Feuer gekocht wird, gibt es wegen des ständigen Rauchs auch viele Atemwegserkrankungen wie Bronchitis. Und natürlich haben wir auch viel mit Mangelerscheinungen zu kämpfen: Die Menschen essen hier ja hauptsächlich den eiweissarmen Mais, was in dieser Einseitigkeit nicht besonders gesund ist. Und nicht zuletzt kommen viele Patienten mit Krankheiten, die sie teilweise über Jahre verschleppt haben. Da ist eine Heilung entsprechend schwieriger.

In Ihrem Buch „Mama Alama“ (siehe Infos in der Box unten) schildern Sie Zeremonien bei der Behandlung. Welche Bedeutung haben kulturelle Unterschiede bei der Behandlung von Krankheiten?

In unserem Gebiet herrscht das Christentum vor, das eine starke Prüderie mit sich bringt. So ist es oft nicht leicht, für eine Untersuchung an den Körper des Patienten zu gelangen. Das braucht Überredungskünste und natürlich auch viel Zeit, die wir andernorts besser einsetzen könnten. Ein grosses Problem ist auch, dass wir teilweise Frauen nicht behandeln können, wenn der Mann dies nicht erlaubt. Auf diese Weise sterben immer wieder Mütter nach der Geburt, obwohl wir sie hätten retten können. Insofern sind die kulturellen Unterschiede tatsächlich limitierend. Als Ärztin muss ich hier jedoch innerlich eine Grenze ziehen und versuchen diese andere Kultur nicht zu werten. Sonst geht man an diesem Beruf zu Grunde.

Angesichts der Ebola-Epidemie in Westafrika liest man immer wieder davon, dass die Menschen lieber die Hilfe eines Zaubers in Anspruch nehmen als die eines Arztes. Ist das auch in Tansania eine Schwierigkeit?

Wir haben hier ja glücklicherweise keinen einzigen Ebola Fall. Soweit ich informiert bin, bestand das Problem in Westafrika vor allem darin, dass die Tradition will, dass Angehörige im Kreis der Familie sterben. Da die Spitäler die Kranken aus verständlichen Gründen nicht aus den Isolierstationen liessen, führte dies dazu, dass viele Patienten egar nicht mehr in die Krankenhäuser gingen. Hier hat also vor allem die medizinische Aufklärung versagt. Aber zurück zu Ihrer Frage: Wir sind nicht gegen den unterstützenden Einsatz von Zauberei. Unser Grundsatz ist: alles was gesund macht, ist okay. Das kommunizieren wir auch stets so. Wir wissen schliesslich aus Forschungen, welche starke Kraft der Placebo-Effekt hat. Und hier in Tansania haben wir den Vorteil, dass die Menschen noch wirklich an Magie glauben.

Dass Sie als weisse Ärztin in Tansania tätig sind, ist im Grunde genommen kein gutes Zeichen. Woran mangelt es bei der Gesundheitsversorgung?

Tansania gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Vor allem auf dem Land gibt es einen gravierenden Ärztemangel, der sich hauptsächlich darauf zurückführen lässt, dass Geld für die Ausbildung fehlt. Dazu kommt, dass das Medizinstudium grundsätzlich nicht so attraktiv ist. Ärzte erhalten in Tansania ein Gehalt von umgerechnet nur etwa 200 Euro. Um überhaupt auf einen anständigen Lohn zu kommen, verlangen Ärzte von den Patienten oft Bestechungsgelder. In unserer Krankenstation setzen wir auch auf lokale Ärzte. Um zu vermeiden, dass sie von den Patienten noch Geld verlangen, bezahlen wir einen höheren Lohn. Ausserdem bilden wir das medizinische Personal teilweise selber aus.

Safari vor der Haustür: Blick von der Krankenstation.
Safari vor der Haustür: Blick von der Krankenstation.

Mangel an der medizinischen Grundversorgung gibt es an vielen Orten. Wieso haben Sie sich ausgerechnet für Tansania entschieden?

Tansania ist ein sehr friedvolles Land. Hier gibt es kaum Tätlichkeiten. Gewalt ist generell verpönt. Für mich persönlich mit meinen fast 70 Jahren ist auch das Klima wichtig: Wir leben in 1600 Meter Höhe über dem Meer auf einer Hochebene, die malariafrei ist. Dazu kommt, dass diese Region für so kleine Projekte wie unseres ideal ist. Da wir uns hier in einen Landstrich befinden, in dem es wirklich an allem fehlt, können wir auch mit unseren bescheidenen Mitteln sehr viel erreichen.

Ihre Krankenstation liegt am Fusse des Kilimandscharo. Seit kurzem bieten Sie für Besucher Unterkünfte an. Wie wichtig ist der Tourismus für Ihr Projekt?

Die Einnahmen aus dem Tourismus helfen, den Betrieb am Laufen zu halten. Da wir mit unseren Lodges steuerbefreit sind, fliessen sämtliche Einnahmen in die unterschiedlichen Hilfsprojekte. Für uns ist das eine wichtige Einnahmequelle, zumal es vielen Menschen leichter fällt, für die Unterkunft vor Ort etwas mehr zu bezahlen als Geld auf ein Spendenkonto einzuzahlen.

Gibt es für Besucher auch andere Möglichkeiten, Sie beim Projekt zu unterstützen? Zum Beispiel mit Freiwilligenarbeit?

Wir sind nicht so gross und brauchen immer wieder Leute, die uns bei der Organisation helfen. Insbesondere beim Fundraising. Ebenfalls dankbar sind wir für die Mithilfe von Menschen mit technischem Hintergrund wie etwa KFZ-Mechaniker. Für nächstes Jahr sind jedoch bereits alle Plätze voll.

Was kann ein Besucher bei Ihnen erleben, das es sonst nirgendwo gibt?

Wir sind einem idyllischen Landstrich mit einer wunderbaren Natur und Blick auf den Mount Meru und den Kilimandscharo. Hier lassen sich grandiose Wanderungen unternehmen. Ich denke aber, dass das Besondere unsere Sonderstellung bei den Menschen hier ist. In unseren Projekten beschäftigen wir derzeit 77 Afrikaner, die gerne ihr Leben mit den Gästen teilen. So ist es immer wieder möglich, als Gast einer Hochzeit oder einem Begräbnis beizuwohnen oder einen Ausflug mit den Waisenkindern zu unternehmen. Das Leben hier ist voller Überraschungen und das teilen wir mit den Gästen.

>> Weitere Informationen zur Krankenstation, den Lodges und zum Projekt „Africa Amini Alama“ finden sich hier.

ninaLesetipp: Mama Alama von Christine Wallner
Es ist ein Leben voller Wendungen: Christina Wallner heiratet sich in die Wiener High Society ein, erfährt dort aber nicht das erhoffte Glück. So beginnt sie als 40-Jährige ein Medizinstudium und führt eine eigene Praxis. Mit 65 Jahren setzt sich Waller nicht in den verdienten Ruhestand, sondern baut stattdessen in Tansania ein Krankenstation auf. Meine Meinung: Auch wenn sich die erste Hälfte der Lebensgeschichte etwas zäh liest, lohnen sich die spannenden Erkenntnisse aus Afrika. Buch über Amazon bestellen.

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Ein Kommentar

  1. Eine wundervolle Sache! Ich finde es toll, wenn ich mit meiner Reise die einheimische Bevölkerung untertützen kann. Ein Aufenthalt in der Amini Alama Lodge steht bei uns bereits im Programm.

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