Island: Fünf Dinge, die ich beim Whale Watching lernte

Sich beim Whale Watching in Island drei Stunden lang bei pfeifendem Wind in einem kleinen Boot durch das Meer schaukeln zu lassen und dabei keinen einzigen Meeresriesen zu sehen, hört sich wie das Drehbuch zum ultimativen Flopp an. Was ich dabei lernte.

Ich blicke auf mein Handy. Es ist 13 Uhr. Auf die Minute genau binden die Männer in ihren roten Jacken die Eldey los. Ruhig gleitet unser 34 Meter langes Schiff durch den Hafen von Reykjavik. Obwohl er erst kurz nach Mittag ist, steht die Sonne an diesem Oktobertag tief und taucht das futuristische Harpa-Zentrum in ein weiches Licht.

Auf diese Tour war ich lange gespannt. Ein halbes Jahr zuvor hatte ich in Kambodscha an einer Flussfahrt teilgenommen, bei der wir von kleinen Booten aus die seltenen Mekong-Delfine hätten sehen sollen. Doch die Tiere tauchten immer nur kurz am Horizont auf, so dass die Tour etwas enttäuschend ausfiel.

Diesmal wird es anders sein, dachte ich mir. Diesmal muss ich mehr Glück haben und die gewaltigen Wale sehen können, mit denen der Anbieter dieser Tour (Elding) auf seiner Website warb.

Die kleine Apotheke an der Bar

Während wir noch durch den Hafen gleiten, wird uns über Lautsprecher empfohlen, bei der Bar eine kostenlose Tablette gegen Seekrankheit abzuholen. Das Meer sei heute etwas unruhig. Obwohl ich nicht sehr empfindlich bin, schlucke ich eine.

Was mir allerdings mehr zu schaffen macht als das ständige Auf und Ab ist der kalte Wind, der ständig über das Schiff bläst. Ich kann nicht länger als zehn Minuten mit der Kamera in der Hand an der Reling stehen, ohne das Gefühl in den Fingern zu verlieren.

Sollte ich die Tour irgendwann wiederholen, würde ich auf keinen Fall nochmals die Handschuhe vergessen. Ansonsten empfiehlt es sich, die Overalls anzuziehen, die Elding seinen Kunden kostenlos anbietet. Sie wärmen nicht nur hervorragend, sondern sehen mit ihrem kräftigen Rot auch recht ansehnlich aus.

Meine erste Lektion: Es braucht nicht viel, um als Firma sympatisch rüberzukommen. Eine Tablette und ein Overall gaben mir das Gefühl, dass sich dieser Anbieter um das Wohl seiner Kunden kümmert.

Ein sinnvolles Geschenk: Tablette gegen Seekrankheit.

Eine Gruppe Weissschnauzendelfine…

Nach etwa einer Stunde kommt es zur ersten Sichtung. „Auf drei Uhr befinden sich zwei Weissschnauzendelfine“, knarrt es über die Lautsprecheranlage. Eine Sekunde später drängeln alle Passagiere auf die rechte Seite des Boots.

Aber erstmal gibt es gar nichts zu sehen.  Erst nach einer Weile taucht eines der Tiere auf. Es ist fast drei Meter lang und rund 350 Kilo schwer, klärt uns die britische Meeresbiologin Tess über Lautsprecher auf.

Vom Tier sehe ich wenig. Es ist weit weg und bleibt jeweils nur ein paar Sekunden an der Oberfläche. Dann taucht es wieder ab. Kein einziger Sprung aus dem Wasser, wie ich mir das vorher in der Phantasie ausgemalt habe.

Ein viel grösseres Problem ist, die Tiere zu fotografieren. Wenn ich stark einzoome, kann ich die Tiere in den wenigen Sekunden an der Wasseroberfläche nicht im Sucher finden. Wenn ich hingegen nur ein schwaches Tele verwende, sind die Delfine so gut wie nicht zu erkennen.

Meine zweite Lektion: Delfine lassen sich nicht wirklich fotografieren. Nach etwa 50 schlechten Bildern lege ich die Kamera beiseite und beobachte die Tiere einfach so.

Das einzige Bild, auf dem sich etwas erkennen lässt.

…und nichts weiter

Nach einer Weile drehen wir ab und machen uns auf die Suche nach weiteren Tieren. Während der Tour am Morgen sei ein Zwergwal gesehen worden, verkündet desweil Tess, die hoch über uns allen mit einem Fernglas in einem Aussichtskorb sitzt. Auch wenn der Name etwas anderes suggeriert: Zwergwale werden fast zehn Meter gross.

Wir stampfen weiter durch die heftigen Wellen. Um mich etwas aufzuwärmen begebe ich wieder ins Innere der Eldey, wo auf Fernsehbildschirmen Unterwasseraufnahmen von riesigen Walen gezeigt werden.

Inzwischen werden die Wolken ständig dunkler und es beginnt leicht zu regnen. Meine Lust, überhaupt noch Wale zu sehen, sinkt merklich. Als es nach etwas über einer Stunde heisst, dass wir zum Hafen zurückkehren, bin ich nicht unglücklich.

Bis auf die Delfine am Anfang habe ich nichts gesehen. Und so ist dann auch meine dritte Lektion, dass die Natur eben kein Zoo ist. Es gibt keine Garantie, die Meeresriesen auch wirklich zu sehen  – und das ist auch gut so.

Blick vom Schiff auf das Harpa-Zentrum direkt am Hafen von Reykjavik.

Von der Wahrscheinlichkeit, Wale zu sehen

Elding gibt an, dass bei über 90 Prozent der Touren Wale gesichtet werden. Was mir allerdings nicht klar war: Auch Delfine gehören zur Familie der Wale. Statistisch gesehen war meine Tour also ein Erfolg. Trotzdem war ich etwas enttäuscht, weil ich mir die Tour anders vorgestellt habe.

Wer grosse Meeressäuger wie zum Beispiel den Buckelwal sehen will, sollte seine Tour in den Sommermonaten unternehmen, weil spätestens ab Oktober die meisten Grosswale Island verlassen und die Wahrscheinlichkeit einer Sichtung markant sinkt.

Meine vierte Lektion: Auch wenn umgangssprachlich oft unterschieden wird, gehören Delfine auch zur Familie der Wale. Das war mir nicht klar.

Das obere Observationsdeck auf der Eldey.

Wieso Walbeobachtung besser als Waljagd ist

Island ist eines der wenigen Länder, in denen die kommerzielle Waljagd (wieder) erlaubt ist. Und so lief ich in Reykjavik auch an einer Handvoll Restaurants vorbei, die Gerichte mit dem Fleisch von Walen anbieten.

Davon kann man natürlich halten, was man will und offenbar lässt sich auch über die Frage streiten, wie stark die einzelnen Walarten nun tatsächlich gefährdet sind. Interessant fand ich aber, was mir Tess am Ende der Tour bei einem persönlichen Gespräch vorrechnete.

2014 sei ein einziger Zwergwal 24 Mal gesichtet worden. Bei durchschnittlich 120 Passagieren pro Boot generierte er also Einnahmen von 25 Millionen Kronen. Das Fleisch hingegen ist nur eine Million wert. „Der volkswirtschaftliche Nutzen unserer Touren ist somit viel höher als der von Waljägern“, sagt Tess.

Meine fünfte Lektion: Tourismus zerstört nicht nur die Natur, sondern kann auch helfen, sie zu bewahren. (Zugegeben: Das wusste ich eigentlich vorher schon…)

Für die Whale Watching Tour lassen sich Overalls ausleihen.

Praktische Tipps zum Whale Watching in Island

  • Recherchiere vor dem Buchen im „Tagebuch“ von Elding wie hoch die Wahrscheinlichkeit in deiner Reisezeit ist, bestimmte Walarten zu sehen. Generell hast du in den wärmeren Monaten eine höhere Chance, die wirklich grossen Wale zu sehen.
  • Schraub trotzdem die Erwartungen runter. Es ist gut möglich, dass du auf deiner Tour genauso wenig Glück hast wie ich oder dass dir kein einziges brauchbares Foto gelingt. Das ist doof, lässt sich aber nicht ändern.
  • Wähle fürs Fotografieren die höchstmögliche Auflösung. Du wirst die Wale eh nie richtig erwischen, aber wenn dein Bild hochaufgelöst ist, kannst du anschliessend den passenden Bildausschnitt wählen.
  • Auf den Decks ist es bitterkalt. Der Overall von Elding leistet gute Dienste, aber Kappe, Schal, warme Schuhe und vor allem Handschuhe musst du trotzdem selber mitbringen.
  • Leg die Tour auf den Anfang deines Islandaufenthalts.  Bei mir wurde der erste Termin wegen schlechtem Wetter gestrichen.
  • Das Ticket kaufst du in der Nebensaison am besten direkt am Hafen im gut sichtbaren Verkaufsschalter von Elding (oder einem der Konkurrenten). In der Hauptsaison bietet sich eine frühzeitige Reservation über die Website des Anbieters an.
  • Was Reykjavik sonst noch zu bieten hat, habe ich in diesem Artikel zusammengefasst.

Fazit

Ich hatte bei meiner Tour ziemlich Pech und insgesamt war das Erlebnis für mich eher enttäuschend, zumal ich Delfine erst wenige Monate zuvor in Kambodscha gesehen hatte und mich auf die grossen Wale freute.

Trotzdem will ich vom Whale Watching in Island nicht abraten. Hätte ich statt der nachmittäglichen Tour die am Morgen mit ihren zahlreichen Sichtungen genommen, würde hier vermutlich ein total begeisteter Bericht stehen. Zumal ich mit der Durchführung der Tour sehr zufrieden war. Es war spürbar, dass Elding die Zufriedenheit der Kunden am Herzen liegt.

Zudem habe ich einiges gelernt. Nicht nur die fünf erwähnten Punkte, sondern auch viele spannende Details über die Tiere, die uns die  Meeresbiologin Tess während der ganzen Fahrt erzählte.

Transparenzhinweis: Elding liess mich als Blogger gratis mitfahren. Auf den Inhalt des Artikels hat das keinen Einfluss.

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7 Kommentare

  1. Ja, die Natur ist kein Zoo, da hast du Recht. Ich habe mal eine Whale Watching Tour in Schottland mitgemacht. Ausbeute: Ein toter Wal an der Küste einer kleinen Insel…

  2. Schöner Bericht, hat mir gefallen, auch mit den Tipps am Ende!
    Ich habe vor Jahren mal Whale Watching vor Cape Cod an der Ostküste der USA gemacht – das war der Hammer: Ein riesiger Wal kam so nah ans Boot, dass man die Atemluft aus dem Blasloch roch (nicht lecker :-), dann ist er direkt unter dem Boot durchgetaucht (Nervenkitzel). Unvergesslich. Ich wünsche Dir, dass Du sowas mal erlebst, wenn Du Dich für Wale interessierts.
    Liebe Grüße!

    1. Hi Maike,
      wow. das klingt nach einem tollen Erlebnis. Ich werde dem Whale Watching bestimmt wieder einmal eine Chance geben, auch wenn ich bei Tierbeobachtungstouren generell eher Pech habe.
      Gruss,
      Oli

  3. Ich habe vor einigen Jahren in Reykjavik eine Whale Watching Tour gemacht im Juli. Wir haben einige Delfine und ein paar kleinere Walarten gesichtet, jedoch alle relativ weit weg und es hatte mehrere Boote draussen mit Touristen.
    Das Wetter war etwas verhangen und somit der Kontrast vom Wasser und den Delfinen eher gering, so dass man wirklich gut hinschauen musste, um etwas zu sehen. Oft war es auch nur ein abtauchender Delfin, wo kurz die Rückenflosse hochkam, also keine springenden Buckelwale.

    Ich denke Reykjavik ist zum Wale beobachten auch nicht gerade der Hotspot der Insel, das muss man auch bedenken. Gerade Buckelwale werden vor allem oft unter anderem im Norden gesichtet. Ich werde im Oktober für 10 Tage nach Island reisen und habe dieses Mal den Norden Dalvik-Hauganes-Akureyri oder Husavik für eine Whalewatching-Tour vorgemerkt. Bin gespannt, wie die Bedingungen dort sein werden :-) Auf Hauganes bin ich eher durch Insidertipps in einem Forum gestossen, so wie auf zahlreiche weitere Geheimtipps fernab von den Prospekt-Attraktionen.

  4. Kann mich dem Tipp von Aline nur anschließen. Ich war schon öfter und jeweils für längere Zeit in Island und habe Whalewatchingtouren von Hauganes und Akureyri aus mitgemacht. Die Fahrt von Akureyri bis zum Aufenthaltsgebiet der Wale etwas nördlich von Höhe Hauganes dauert mehr als eine Stunde, während der kein Wal zu sehen war. Nimmt man ein Speedboot, geht das natürlich schneller. Bei meinen 5 oder 6 Touren ab Hauganes, die ich bisher mitgemacht habe, kam es – mit Ausnahme einer einzigen Tour – schon nach kurzer Fahrt zu eindrucksvollen Begegnungen mit Buckelwalen. Ich empfehle daher Hauganes als Ausgangspunkt zu nehmen. Husavik wäre auch noch eine Option, die ich jedoch nicht ausprobiert habe.
    In Hauganes ist das Tragen der bereitgestellten Overalls verpflichtend. Sie halten nicht nur warm, sondern sind, soweit ich weiß, auch mit einem Rettungsequipment ausgestattet für den Fall, dass man über Bord geht oder das Boot sinkt.

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